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Österreichisch-italienische Wahrnehmungen 279
Literatur im Italienischen – ungleich stärker vertreten sind. Eine diesbezügliche
Zäsur ist erst nach 1945 verortbar (vgl. Schmidt Dengler/Reitani 1992 : 173).
Die hier dargelegten vielschichtigen Austausch bzw. auch Assimilationspro
zesse über verschiedene soziale Schichten hinweg spiegeln die wechselseitigen
historischen Beziehungen zwischen »Österreich« und »Italien« deutlich wider.
Je stärker die historischen Kontakte, desto intensiver die Austauschprozesse –
und desto größer die jeweiligen Konfliktpotenziale.246 So ergab sich etwa eine
Intensivierung der diesbezüglichen Transfers mehr oder weniger zwangsläufig
im Laufe des 18. Jahrhunderts mit der sukzessiv voranschreitenden Herrschaft
der Habsburger über »italienische« Gebiete. Diese Beziehungen waren zum ei
nen auf funktionaler Ebene durchaus positiv bestimmt, wie etwa die Tätigkeit
der Seidenweber oder Schokoladenerzeuger in Wien (Ricaldone 1986 : 138f.)
oder auch die im militärischen, diplomatischen und administrativen Dienst
des Kaisers stehenden italienischen (adeligen, später zunehmend bürgerlichen)
Beamten unter Beweis stellten (vgl. Schrattenecker 1995 : 103). Die weit zu
rückreichenden politischen Spannungen zwischen den »tedeschi« – ein Begriff,
der sich insgesamt auf »deutschsprachig« bezog und Deutsche und Österreicher
ebenso bezeichnete wie Schweizer oder sogar Holländer – und der »italianità«,
die durch den Prozess der nationalen Bewusstwerdung der Italiener dramatisch
verschärft wurden, verfestigten jedoch andererseits zusehends zahlreiche Vorur
teile, die über lange Zeit hinweg ein friedliches Zusammenleben erschwerten.
Berghold macht den traditionellen »Mentalitätenkonflikt«, der den (deutsch )
österreichisch italienischen Beziehungen grundsätzlich zugrunde zu liegen
scheint, an dem Gegensatzpaar »Disziplin – Spontaneität« fest und weist ersterer
Kategorie in teilweise realistischer wie auch in klischeehafter Weise die Eigen
schaften Verlässlichkeit, Ordnungsbewusstsein, Leistungsfähigkeit, aber auch
Sturheit, Gefühlskälte oder Vorschriftshörigkeit zu, zweiterer Improvisierfähig
keit, Kontaktfreudigkeit, künstlerische Kreativität, aber auch Unzuverlässigkeit,
Verantwortungslosigkeit oder Korruptheit (Berghold 1999 : 33f.). Im Zuge der
nationalen Bewusstwerdung der Italiener wurde den Österreichern zusätzlich
der Vorwurf des Stolzes und der Grausamkeit gemacht – das (deutsch )habs
burgische »Barbarentum« war damit endgültig besiegelt und nach der Grün
246 Ehmer und Ille (2009 : 10) orten – bezogen auf die Präsenz italienischer Kultur in Wien – die
»Ausblendung der Besonderheiten und Folgen der historischen Sprach und Kulturkontakte«
zahlreicher Migrationsgruppen, allen voran Maurer, Wanderhändler und Kleinhandwerker, die
im 19. Jahrhundert zur Realisierung großer Bauvorhaben nach Wien kamen. Auf diese »Beson
derheiten und Folgen« wird in der Folge genauer eingegangen.
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437