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Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 307
Demnach ortet Kaindl den Grund für die fehlende Ausformung eines Über
setzungsfeldes ähnlich wie Simeoni in den schwachen Positionen der einzelnen
AkteurInnen und im generell schlechten Image von Übersetzung als sekundäre
Tätigkeit. Folgerichtig geht auch er davon aus, dass Übersetzungen nicht in ei
nem spezifischen Feld ausgehandelt bzw. angefertigt werden, sondern im jewei
ligen Feld, aus dem es auch rezipiert wird (ibid.: 178).261
Die AutorInnen, die sich bisher am intensivsten mit der Frage nach der
grundsätzlichen Existenz bzw. der Beschaffenheit eines »Übersetzungsfeldes«
befasst haben, äußern somit zwar ihre diesbezüglichen Zweifel, unternehmen
jedoch nicht den Schritt, ein alternatives oder ergänzendes Denkmodell zu kon
zipieren, das den Übersetzungsprozess in die translationsrelevante Konzeptua
lisierung von Bourdieus Feldtheorie zu integrieren vermag. Mit der Denkfigur
des »Vermittlungsraumes« soll dieser Schritt gesetzt werden.
Was im vorliegenden Zusammenhang – nicht zuletzt aufgrund seiner Kon
textualisierung im Rahmen des Dritten Raum Konzepts – als ein solcher »Ver
mittlungsraum« bezeichnet wird, ist freilich kein Raum, der, sobald ein Kultur
produkt in ein Feld eingeführt ist, »spurlos« verschwindet ; ein wiederum durch
neue Zusammenhänge entstehender Vermittlungsraum, in dem die AkteurIn
nen stete Uminterpretationen vornehmen, stellt zwar bestehende Ordnungen
infrage und lässt viele Kontextualisierungsmöglichkeiten offen, doch weist er
auch zahlreiche Kontinuitäten oder Traditionslinien auf wie etwa stabile Selbst
bilder, Referenzen auf Verortungen oder stereotype Zuordnungen und kann
durchaus in bestimmte AkteurInnen und Ortsgebundenheiten eingeschrieben
werden.
Die folgende Studie verfolgt das Ziel, die wesentlichen Charakteristika des
hier grob skizzierten »Vermittlungs /Übersetzungsraumes« deutschsprachiger
Übersetzungen aus dem Italienischen für den Zeitraum zwischen 1848 und
1918 zu konkretisieren. Dazu werden in einem ersten Schritt, gleichsam als Vor
Arbeit, die Paratexte dieser Übersetzungen untersucht, um unter anderem fest
261 Auffallend ist, dass keiner der Autoren trotz ihrer wiederholt postulierten Gleichsetzung von
»Feld der Übersetzung« mit »literarischem etc. Feld« auf die von Pierre Bourdieu aufgezeigte
Möglichkeit zurückgreift, ein »Subfeld« für die Verortung von Übersetzungen anzudenken. Ein
Sub oder Unterfeld entsteht laut Bourdieu durch die Spezialisierung von AkteurInnen, die spe
zifische Interessen für den Kampf um einen neuen Einsatz entwickeln. Ein Beispiel dafür könnte
das im Laufe des 19. Jahrhundert französische autonomisierte Kunstfeld sein, von dem sich Un
terfelder wie das der Malerei oder der Bildhauerei absondern (vgl. Papilloud 2003 : 60). Die Eta
blierung eines Subfeldes setzt somit ähnliche strukturelle Bedingungen voraus wie ein (Haupt )
Feld und ist aus diesem Grund für die Konstruktion eines »Übersetzungsfeldes« nicht zutreffend.
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437