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322 Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen
über die erfolgte Publikation (Rechtfertigungsdiskurs) und zu den angewandten
Übersetzungsstrategien, die die verschiedenen vorherrschenden translatorischen
Paradigmen des untersuchten Zeitraumes aufdecken.
Die folgende Auswertung stützt sich auf verschiedene Fragstellungen, die
den Konstruktionscharakter der »Vorworte« freilegen und die Rolle der Ak
teurInnen in diesem Konstruktionsprozess näher ausleuchten sollen. Es wird
zunächst der Frage nachgegangen, welche Übersetzungsstrategien von den
TranslatorInnen in den Vorworten postuliert werden und, davon ausgehend,
welchen Stellenwert sie der Tätigkeit des Übersetzens zuschreiben. Daraus wie
derum leitet sich die Erkenntnis darüber ab, welche Charakteristika der Habitus
der ÜbersetzerInnen aufweist. Dieser wird mit den verschiedenen Kapitalien,
die durch die Aussagen der Vorwort
VerfasserInnen zum Einsatz kommen, in
Verbindung gebracht. Abschließend wird das Thema der Konstruktionsmecha
nismen aufgegriffen, die durch explizite Sinnzuschreibungen eine bestimmte
Wahrnehmung des italienischen »Anderen« durch die paratextuellen Vorworte
zu steuern suchen.
Als vorrangige Übersetzungsstrategie gilt – erwartungsgemäß – die Treue
zum Original. Sie wird in allgemein formulierten Aussagen zum Ausdruck ge
bracht, wie etwa »der Übersetzung mußte treues Anschmiegen an den Origi
naltext höher stehen als stylistische Eleganz« (3) oder »Wir haben uns treu an
das italienische Werk gehalten« (661, vgl. auch 612g). Andere ÜbersetzerInnen
betonen die moralische Instanz der Treue (»[ich sehe es] als Pflicht […], mich
an Ton und Styl des Originales möglichst treu zu halten«, 102) oder auch die
Präzision ihrer (Treue )Arbeit, wie Robert Hamerling, der beteuert, die Reime
Leopardis »gewissenhaft und genau« nachgebildet zu haben (671a, vgl. auch
867). In einigen Vorworten wird detailliert darüber Auskunft gegeben, was un
ter dem Treuepostulat verstanden wird, so etwa von der Dante Übersetzerin Jo
sefine von Hoffinger, die die »liebevolle Treue« als eine der Haupteigenschaften
von Übersetzungen bezeichnet und diese in doppelter Form ausgeführt haben
will, nämlich sowohl in der Wiedergabe des Inhalts als auch in der Nachahmung
der Form (18q). 40 % der Vorworte, die diesem expliziten Treuepostulat folgen,
sind Werken religiösen Inhalts vorangestellt, und alle diese Vorworte stammen
aus der ersten Hälfte des Untersuchungszeitraumes – keines erschien nach 1888
–, was die allgemeine Beobachtung, dass das Paradigma der Originaltreue lang
sam von autonomeren Konzepten abgelöst wurde, bestätigt.
Allen diesen Treue Bekenntnissen ist implizit eine Sicht von Übersetzung als
sekundärer Tätigkeit eingeschrieben, die, wie in Kapitel 2 gezeigt wurde, durch
aus dem Übersetzungsparadigma der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ent
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437