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Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 325
unter seinem Konstruktcharakter diskutiert wird) und erklärt, »ein neues Werk
geschaffen« zu haben, damit ihm der »vaterländisch intime und überhaupt sein
früherer actueller Charakter genommen« werde.
Hervorzuheben ist, dass mit Ausnahme der hier zitierten Texte aus dem Jahr
1851 die Mehrzahl der Vorworte, die ein selbstbestimmtes translatorisches
Handeln vertreten, ab den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts ver
fasst wurden, was die Schlussfolgerung zulässt, dass etwa zu dieser Zeit eine
bestimmte Autonomisierung des Übersetzungsraumes zumindest für die ge
nannten Textsorten zaghaft einsetzt.
Das in den Vorworten manifestierte Fachwissen der Translatoren ist vorran
giger Ausdruck ihres kulturellen Kapitals. Zur Signalisierung dieses Fachwis
sens werden verschiedene Strategien angewandt. Zunächst geschieht dies – aus
schließlich in Fachtexten – durch eher allgemein gehaltene Feststellungen, wie
etwa die Rechtfertigung der zahlreichen Zitate (3, 314c, 808e, 854) oder die An
gabe der aus der eigenen wissenschaftlichen Arbeit resultierenden Begründung
für die Durchführung der Übersetzung (789a). Viele Übersetzer manifestieren
ihr kulturelles Kapital in ausführlichen Informationen zu AutorIn, Werk und
literarischer Kontextualisierung der übersetzten Arbeit (6, 18q, 75, 102, 153,
872), andere wiederum durch explizite wissenschaftliche Erläuterungen (4, 47,
711, 948). Bei letzteren handelt es sich ausschließlich um in Institutionen ver
ankerte Wissenschaftler, die ihren Übersetzungen einschlägiger Fachtexte um
fangreiche Vorworte beifügen. Den Anspruch, seine Erläuterungen als »wissen
schaftlichen Commentar« zu bezeichnen, stellt auch der Übersetzer eines (nicht
kanonisierten) Romans aus dem 19. Jahrhundert (62), der »dem nicht mit clas
sischer Schulbildung ausgerüsteten Publikum, wie namentlich die Damenwelt«
Hilfestellung bieten will. Das kulturelle Kapital der Übersetzer kommt somit in
Translaten literarischer und fachspezifischer Texte explizit zum Einsatz, wobei
eine Konzentration auf die Siebziger und Achtzigerjahre des 19. Jahrhunderts
festzustellen ist ; die wenigen Texte nach der Jahrhundertwende, die kulturelles
Kapital explizit manifestieren, sind die Vorworte von Fachtextübersetzungen.
Dies kann dahingehend interpretiert werden, dass der fachtextspezifisch kon
notierte Legitimationskampf der Übersetzer zumindest im wissenschaftlichen
Vermittlungsraum in den letzten 30 Jahren des 19. Jahrhunderts zur Gänze ein
setzte und auch einen ersten Höhepunkt erreichte.
Das symbolische Kapital der ÜbersetzerInnen ist anderen Kriterien unter
worfen und zeigt sich nicht nur in den Faktoren, die der Selektion von Über
setzungen zugrunde liegen, sondern auch in verschiedenen Legitimationsbemü
hungen, die in den Paratexten zum Ausdruck gebracht werden. Die Auswahl von
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437