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326 Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen
Übersetzungen geschieht laut Angaben in den Vorworten in vielen Fällen durch
die ÜbersetzerInnen selbst und wird auch zumeist ausführlich begründet. Der
Übersetzer Eugen Guglia etwa erklärt in seiner Einleitung zu den Römischen
Elegien von Gabriele D’Annunzio (1903, 344), er habe nur zwei Drittel der Ge
dichte aus der Originalausgabe übersetzt und gibt als Grund für seine begrenzte
Auswahl eine »gewisse Einförmigkeit der Motive und des Tones« der Gedichte
an. Andere Übersetzer betonen, dem Verleger eine Übersetzung des betreffenden
Werks vorgeschlagen zu haben, um »de[m] vielfach ausgesprochene[n] Wunsch,
[das Werk] durch Uebersetzung einem deutschen Leserkreise zugänglich zu
machen« (1028a), nachzukommen oder um »die deutsche [Fach]Literatur mit
der Arbeit eines ausländischen Gelehrten zu bereichern« (1189c) ; in allen ange
führten Erklärungen kommt das Bemühen der Übersetzer zum Vorschein, die
selbstbestimmte Entscheidung über die Selektion des zu übersetzenden Werks
zu betonen und damit der eigenen Arbeit einen höheren Stellenwert zu verlei
hen. In weit geringerem Maß kommt deshalb die Eigenständigkeit der im Vor
feld der Translation geleisteten Arbeit zum Ausdruck, wenn, wie der Übersetzer
vermerkt, die Übersetzung von Verlegern oder Autoren (808f, 864a) in Auftrag
gegeben wird ; für die Übersetzung von Fachtexten berufen sich die Transla
toren auf den »Wunsch des Fachpublikums« (961c ; siehe auch 566h, 785b). In
einigen Vorworten rechtfertigen die Übersetzer die Selektion des betreffenden
Textes mit der hohen Anerkennung, die dem Original in Italien zuteil geworden
war (1069a) oder mit dem prestigehaften Herausgeber (Königlich Italienische
Akademie der Wissenschaften, 958), womit direkt die Grundbedingungen des
symbolischen Kapitals angesprochen sind.
Die für das Vorhandensein von symbolischem Kapital kennzeichnenden Le
gitimationsbemühungen sind vor allem in der Nennung kultureller Autoritäten
zu verorten, wie etwa Goethe, der im Vorwort der Übersetzung zu Manzonis
Cinque Maggio (772, 780) als einer der früheren Übersetzer dieser Ode ge
nannt wird und nicht zuletzt damit die Bedeutung des Werks für den deutschen
Sprachraum legitimiert. Ähnlich verfährt der Herausgeber der »schönsten Epi
soden« von Ariosts Rasender Roland in der Übersetzung von Johann Diederich
Gries (33), der in seinem Vorwort darauf verweist, dass sich Goethe über die
Übersetzungskünste von Gries äußerst wohlwollend geäußert hatte – ein trifti
ger Grund für die Herausgabe der schönsten Episoden und Sicherstellung der
positiven Aufnahme durch das Publikum. Der unbekannt gebliebene Übersetzer
des Trauerspiels Aristodemos von Vincenzo Monti (871) wiederum betont, dass
Goethe in Rom einer Aufführung der Tragödie beigewohnt hatte und die per
sönliche Begegnung mit Monti außerdem in der Italienischen Reise anerkennend
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437