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Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 345
auch zu den Gästen ihres Salons zählte, publiziert wurden. Einige der Theater
stücke wurden von einem ihrer »Dauergäste«, Hermann Bahr, während seiner
Tätigkeit als Direkter des Burgtheaters auf die Bühne gebracht (Essen 1999 :
208f.). Dieses Beispiel ist ein Beweis dafür, dass der Salon als »gesellschaftlicher
Mikrokosmos« (Heyden Rynsch 1992 : 11) ein dichtes Netzwerk an sozialen
Beziehungen darstellte, in dem kulturelles, soziales und symbolisches Kapital in
konzentrierter Form zur Wirkung kamen. Der Salon kann somit als bedeutendes
Beispiel für einen »Zwischen Raum« herangezogen werden, in dem durch den
mehrere Personen involvierenden Prozess des »Aushandelns« Neupositionierun
gen von AkteurInnen und ihren Werken vorgenommen werden.
ÜbersetzerInnen – Hauptverantwortliche im Vermittlungsprozess ?
Die Bandbreite der Sichtweisen über die Rollenbilder von ÜbersetzerInnen als
AkteurInnen im Translationsprozess ist weit gefasst und oszilliert zwischen dem
von Venuti postulierten Bild der »Unsichtbarkeit« und der/dem »eigenverant
wortlichen Handlungsexpertin bzw. experten« von Justa Holz Mänttäri. An
dere Ansätze versuchen dem/der ÜbersetzerIn zu mehr Ansehen zu verhelfen,
indem sie ihn/sie dem Autor bzw. der Autorin gleichsetzen und damit der weit
verbreiteten Sicht des Übersetzungsphänomens als »sekundäre Tätigkeit« ent
gegenzuwirken versuchen, ohne jedoch in Betracht zu ziehen, dass auch der Be
griff des/der »Autors/Autorin« problematisch ist.275 Wie bereits im Laufe dieser
Arbeit mehrmals illustriert wurde, ist ein differenziertes Bild der translationsre
levanten sozialen Wahrnehmungs und Handlungsschemata durch die Anwen
dung bourdieuscher Kategorien wie Kapital und Habitus möglich, das Zusam
menspiel der einzelnen AkteurInnen im Vermittlungsraum als Grundlage für
die Beschaffenheit des kulturellen Produkts ist jedoch im Einzelnen nur schwer
rekonstruierbar. Die schwache Strukturierung des Vermittlungsraumes, die be
reits ausführlichen Betrachtungen unterzogen wurde, und die ihn von der von
Bourdieu skizzierten Struktur eines sozialen »Feldes« wesentlich unterscheidet,
ist hinsichtlich der Tätigkeit und Rollenbeschaffenheit der TranslatorInnen auf
verschiedene Faktoren zurückzuführen.
Auf den Vermittlungsraum in der Habsburgermonarchie bezogen übten
zum einen die meisten ÜbersetzerInnen ihre Tätigkeit nicht hauptberuflich
aus, sondern waren gleichzeitig in anderen Feldern tätig bzw. arbeiteten an den
Schnittstellen verschiedener Felder. Der überwiegende Teil der ÜbersetzerIn
275 Vgl. zur Kritik dieses Ansatzes Arrojo (1997).
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437