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Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 347
Stelle erwähnt, unter anderem im Literarischen Büro für den italienischspra
chigen Zeitungsspiegel zuständig war. Er redigierte die Grazer Damenzeitung
Iris sowie das Feuilleton des Corriere italiano und verfasste zahlreiche Gedicht
bände. Des Weiteren war Cerri als Kulturjournalist bei den Dioskuren tätig und
erhielt verschiedene Auszeichnungen, darunter die »goldene Medaille für Kunst
und Wissenschaft«. Ins Deutsche übersetzte er Lyrik aus dem 19. Jahrhundert
(Aleardo Aleardi 1849, 6, und Giovanni Prati 1851, 1053) sowie kunsthisto
rische Schriften aus dem 16. Jahrhundert (Ludovico Dolce 1871, 465, und
Francesco Bocchi 1875, 135) ; ebenso liegen Übersetzungen ins Italienische vor.
Seine Begeisterung für die Revolution von 1848 – die auch auf seiner persönli
chen Bekanntschaft mit Silvio Pellico beruhte – wich in späteren Jahren einer
treuen Ergebenheit gegenüber dem Kaiserhaus. Die Vielfalt seiner Tätigkeiten,
die die Kulturvermittlung auf verschiedenen Ebenen widerspiegelt, zeigt die
Problematik auf, die auch für Mittlerfiguren wie Cerri, die nur zwischen zwei
Kulturräumen vermitteln und über ein dichtes Netz an sozialen Beziehungen
sowie über ein hohes Maß an symbolischem Kapital verfügen, keine dauerhaften
Positionen im »Feld« oder »Raum« zuzulassen scheint.
Auch Interessensvertretungen, die ein Hinweis auf die Etablierung eines be
stimmten Berufs sind und die die Position von AkteurInnen im Vermittlungs
raum stärken können, sind im gegenständlichen Zeitraum in der Habsbur
germonarchie für den translatorischen Bereich nicht vorhanden.278 Allerdings
waren viele der ÜbersetzerInnen des hier behandelten Korpus Mitglieder des
Journalisten und Schriftstellervereins »Concordia« (vgl. Stern 1909).
Die geringe Struktur des »Feldes« ist des Weiteren – und in Verbindung mit
den bisher genannten Faktoren – aus der Tatsache ableitbar, dass die meisten
ÜbersetzerInnen im Zeitraum 1848 bis 1918 jeweils nur wenige Übersetzungen
anfertigten (zumindest aus dem Italienischen ins Deutsche) und dadurch die
Herausbildung »dauerhafter Beziehungen«, die für die Konstitution eines Fel
des notwendig sind, nur eingeschränkt möglich bzw. erforderlich war. Fast zwei
Drittel (61 %) aller ÜbersetzerInnen fertigten nur eine Übersetzung an, wei
278 Eduard Engel berichtet für den deutschen Kontext 1879 im Magazin für die Literatur des Aus-
landes : »Neulich brachte eine Literaturzeitung den tragikomischen Aufruf eines solchen armen
Uebersetzungsproletariers aus Bielefeld zur Gründung eines ›Schutzvereins der deutschen Ue
bersetzer‹« (Engel 1990/1879 : 224). Zu dieser Gründung dürfte es jedoch nicht gekommen sein.
Theo Hermans weist auf die Bedeutung von Berufsverbänden für die Festlegung translatorischer
Normen hin (Hermans 1999 : 85), die wiederum für die Positionierung im Feld/Raum bestim
menden Charakter haben können.
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437