Seite - 354 - in Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Bild der Seite - 354 -
Text der Seite - 354 -
354 Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen
zu dem für den Kontext des Kulturbetriebs im gegenständlichen Zeitraum
kaum Informationen vorliegen (eine Untersuchung von Waschzetteln etwa wäre
in diesem Zusammenhang aufschlussreich), und die im Rahmen der Diskussion
der Paratexte, die verschiedentlich für die Verlagswerbung verwendet wurden,
analysiert wurde. Auch Theaterleiter waren (und sind) zentrale Figuren in der
Verbreitung kultureller Produkte. Dies ist etwa an der Analyse der Premieren
von Stücken italienischer Autoren am Burgtheater zu erkennen, die, wie bereits
angemerkt, Josef Feichtinger für das 19. Jahrhundert anstellte. Feichtinger kon
statiert eine »Lücke« in der Aufführung italienischer Werke zwischen 1839 und
1887 (mit einer Ausnahme im Jahr 1857) und führt als ersten möglichen Grund
für diese Theaterpolitik die persönlichen Interessen der jeweiligen Direktoren
an, allen voran Heinrich Laube. Erst in zweiter Linie weist Feichtinger auf eine
dementsprechend schwache dramatische italienische Produktion hin, die kei
nen großen Anreiz für Übersetzungen lieferte, und nennt drittens politische
Gründe, da ja die literarische Produktion spätestens seit Alfieri im Zeichen des
Risorgimento stand, was ebenfalls für eine Übersetzungstätigkeit – zumindest
ins Deutsche – nicht förderlich war (Feichtinger 1964 : 309f.). Von Salons war
bereits im Selektionsprozess die Rede ; zahlreiche Legitimationsprozesse laufen
über diese Instanz ab, Posten werden dort vergeben, Preise werden besprochen
oder auch abgesprochen. Bourdieu weist den Salons eine entscheidende Rolle
in kulturellen Austauschprozessen zu und sieht sie nicht nur als »Orte, an de
nen sich wesensverwandte Schriftsteller und Künstler zusammenfinden und den
Mächtigen begegnen«, sondern, daraus resultierend, als bedeutende »Mittlerin
stanzen zwischen den Feldern« (Bourdieu 1999 : 88).
Die im Literaturbetrieb involvierten AkteurInnen sind demnach in fort
schreitendem Maß daran interessiert, das übersetzte Produkt durch die Reak
tion der Öffentlichkeit zu legitimieren. Dieses Interesse zeigt sich vor allem in
verschiedenen Bemühungen um Sanktionierung, die durch Preise, (Literatur )
Kritik oder auch Kongresse reguliert wird.
Die detaillierte Rekonstruktion der Vermittlungsaktivitäten ist freilich nur
durch gründliche Untersuchungen der verschiedenen Quellenfelder möglich.
Wie die genannte Studie von Vignazia zu den Übersetzungen von D’Annunzio
oder auch die Arbeit von Karl Zieger zur Aufnahme der Werke von Emile Zola
durch die österreichische Kritik der Jahrhundertwende (Zieger 1986) zeigen,
ermöglichen erst Analysen von Verlagskorrespondenzen, die sich in Nachläs
sen oder anderen Sammlungen befinden, sowie eingehende Untersuchungen
zahlreicher Rezeptionsorgane und anderer Quellen eine Rekonstruktion der
Aktivitäten der in den Übersetzungsbetrieb im weitesten Sinn involvierten Ak
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437