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Geschichte
Vor 1918
Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Seite - 363 -
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Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 363 Dort heiratete er auch ein Fräulein Bobrzynski. Seine Eheliebste gebar ihm einen Knaben. Sie machte das Polnische in der Familie heimisch, pflegte aber nebenbei auch das Kroatische, weil ihre Mutter eine Kroatin war, und hielt aus Liebe zu einem kernmagyarischen Großvater mit großer Treue an einigen ungarischen Sprichwörtern fest. Was sollte Vater Schneider antworten, wenn ihn einer überflüssigerweise nach der Nationalität fragte ? Die Frage mußte an seinem Verständnis abgleiten. Hatte er, der gewissenhaft geschulte Beamte der politischen Behörde in den zahlreichen Erlässen, Verordnungen und Kundmachungen oder in dem Reichs- gesetze je das Wort Nation oder Nationalität gefunden ? – Niemals und nirgends. – Gab es demnach überhaupt »Nationen« in einem Vaterlande ? ! Weshalb sollten diese Begriffe in seinem Kopfe rumoren ? Sie waren nicht paragraphiert – hatten sie da überhaupt ein Recht zu sein und sich zu verkörpern ? – Man spricht irgend- eine Sprache, die man eben gerade bei der Hand hat und braucht, wie man ißt und trinkt, um Bauch und Gurgel zu beruhigen. Ich sage damit nicht, daß Schneider mit Bewußtsein solche Betrachtungen an- stellte. O nein ! Der Zwiespalt der Meinungen konnte nicht an ihn heran. Denn er war und blieb der »Oesterreicher an sich«. […] Die austro-ärarische Nation hat noch kein Ethnograph beschrieben ; in ihm lebte sie mit ihrer fünf- bis sechssprachigen Seele, der Kraft zweckbewußter Ver- kümmerung und gottgewollter, mild-abgeklärter Trottelhaftigkeit. Fassungslos saß der k. k. Beamte Schneider einst vor einem Fragebogen der Volkszählung, auf dem sich die rätselhafte Rubrik »Umgangssprache« befand. Das unheimliche Wort »Nationalität« war ja wieder glücklich vermieden worden – aber die Ausforschung nach der Umgangssprache lastete doch schwer auf ihm. Wie sollte er antworten ? Zuhause sprach er polnisch und manchmal ein we- nig deutsch ; mit Bekannten, Verwandten und im Amte beide Sprachen und auch ruthenisch und rumänisch. Der Vorstand meinte, er könnte »polnisch« schreiben, denn im Amte und im Kaffeehaus hat man keinen Umgang und daher auch keine Umgangssprache – »weil sitzt man immär«. Herr Schneider wollte es jedoch mit keiner Seite verschütten und schrieb deshalb in die Rubrik Umgangssprache : »Neutral ! Ist sich nicht gleich, wechselt«. Die Jahre vergingen, und die Schneiders nahmen einen glänzenden Aufstieg. Schneider rückte in eine höhere Rangliste und erhielt in einer tschechischen Stadt einen wesentlich erweiterten Wirkungskreis und natürlich eine noch höhere Be- zahlung […].
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Die vielsprachige Seele Kakaniens Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Untertitel
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Autor
Michaela Wolf
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2012
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78829-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
442
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Dankesworte 11
  2. Einleitung 13
  3. Erstes Kapitel
    1. Zur soziologischen Verortung von Translation 19
      1. 1. Wissenschaft und Gesellschaft im Kontext von Translation 19
      2. 2. Translationswissenschaft : »going social« ? 22
  4. Zweites Kapitel
    1. K.(u.)k. »going postcolonial« 25
      1. 1. Die Verortung der »habsburgischen Kultur« 25
      2. 2. Der »cultural turn« und seine Folgen 35
      3. 3. Übersetzung als Beitrag zur Konstruktion von Kulturen 40
      4. 4. Das Konzept der »kulturellen Übersetzung« 45
      5. 5. Der Versuch einer Übersetzungstypologie 54
    2. »Polykulturelle Kommunikation und Translation« 54
    3. »Transkulturelle Translation« 58
  5. Drittes Kapitel
    1. Das habsburgische Babylon 62
      1. 1. Die kakanische Variante der Multikulturalismus­ Debatte 62
      2. 2. Zählt der Staat Häupter oder Zungen ? 67
      3. 3. Sprachpolitik zur »Annäherung der Volksstämme« 73
      4. 4. Die »Vielsprecherei« auf dem Buchmarkt 77
  6. Viertes Kapitel
    1. Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
      1. 1. »Polykulturelle Kommunikation« 87
    2. »Habitualisiertes Übersetzen« 90
    3. »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
      1. 2. »Polykulturelle Translation« 119
    4. Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
    5. Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
    6. Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
    7. Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
    8. Kriegsministerium 165
      1. 3. Die Ausbildung von Dragomanen 179
      2. 4. Der kulturkonstruierende Beitrag der Translationspraxis 188
  7. Fünftes Kapitel
    1. Theoretischer Aufriss eines habsburgischen »Übersetzungsraumes« 194
  8. Sechstes Kapitel
    1. »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
      1. 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
      2. 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
    2. Positionierungskämpfen 208
  9. Siebtes Kapitel
    1. Der »Nutzen fürs geistige Leben« : Übersetzungspolitik in der Habsburgermonarchie 216
      1. 1. Regelnde Faktoren einer Übersetzungspolitik 217
    2. Zensur 218
    3. Urheberrechtsfrage 220
    4. Konzessionspflicht 221
      1. 2. Staatliche Kultur­ und Literaturförderung 222
      2. 3. Literaturpreise 225
  10. Achtes Kapitel
    1. »Übersetzen am laufenden Band«. Eine Übersetzungsstatistik 236
      1. 1. Einzeldaten der Übersetzungsbibliografien 240
    2. »Polykulturelle Translation« 240
    3. »Transkulturelle Translation« 243
      1. 2. Gesamtauswertungen 246
      2. 3. Übersetzen zwischen Sucht und Entwöhnung 257
  11. Neuntes Kapitel
    1. Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen 263
      1. 1. Österreichisch­ italienische Wahrnehmungen 266
      2. 2. Italienische Übersetzungen im deutschsprachigen Raum 281
      3. 3. Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 298
    2. Soziale Felder und ihre Funktionsregeln 299
    3. Die Dynamisierung der bourdieuschen Felder 303
    4. Paratexte – das »Beiwerk des Buches« 308
    5. Der habsburgische Vermittlungsraum 336
  12. 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
    1. Vermittlungsraumes« 359
  13. Zehntes Kapitel
    1. Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
    2. Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
    3. Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
    4. Tabellen 392
    5. Grafiken 393
    6. Abkürzungen 393
    7. Literaturverzeichnis 394
    8. Quellen 394
    9. Sekundärliteratur 396
    10. Sachregister 434
    11. Personenregister 437
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