Seite - 371 - in Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
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Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 371
dition zumindest per Gesetz zu entsprechen und die Kommunikation im Reich
so pragmatisch wie möglich zu gestalten ; es sei hier nur auf die Stichwörter
Spracherwerb im Heereswesen oder Ausbildung zu polyglotten Diplomaten
in der Orientalischen Akademie verwiesen. Wenn demnach im Rahmen des
habsburgischen Kommunikationsgefüges von vielfachen kulturellen Verknüp-
fungsakten die Rede ist, die den hybriden Charakter der Monarchie ausma-
chen, so sind diese in erster Linie in dieser »Alltagspraxis« zu verorten, also in
den Lebenswelten seiner BewohnerInnen. Die Vielfachkodierungen folgen hier
weniger strengen Regeln und weisen somit flexiblere Strukturen auf, was den
Interaktionsgrad kultureller Elemente steigern kann. Dies trifft freilich nicht
auf die gesamte Habsburgermonarchie zu, denn einzelne Domänen sind mehr,
andere weniger von diesen »Kontaminierungen« berührt, und viele befinden sich
in Grauzonen, wo nur geringe diesbezügliche Verdichtungen stattfinden.
»Polykultureller Translationsraum«
Dieser Raum ist innerhalb des Kommunikationsraumes der Habsburgermon-
archie gelagert und besteht aus zwei ständig miteinander interagierenden Ge-
mengelagen. Zum einen findet hier die Herstellung kultureller Produkte durch
BewohnerInnen der Habsburgermonarchie statt, die nicht den expliziten An-
spruch stellen, bewusste Transferarbeit für die Herstellung ihrer Produkte ge-
leistet zu haben. Dennoch sind diese Kulturprodukte – im Einzelnen handelt es
sich um Werke der Kunst, Architektur, Literatur oder Musik sowohl aus dem
Bereich der Volks- als auch Hochkultur –, da sie innerhalb des habsburgischen
Kommunikationsgefüges entstanden und angesiedelt sind, dessen Kommunika-
tionsstrategien und -dynamiken unterworfen und können keinesfalls als (eth-
nisch) »reine« kulturelle Produkte angesehen werden (obwohl sie als »Original-
produktionen« gelten), sondern als Resultate vielfacher Kodierungen. Aufgrund
der diesem Begriff inhärenten Auffassung von Text als (vorläufiges) Produkt
zahlreicher Mehrfachzuschreibungen wird dieser Bereich (noch) unter die Ka-
tegorie »Polykultureller Translationsraum« gefasst. Als Beispiele könnten zahl-
reiche Operetten genannt werden oder auch Küchengerichte, die den »langen
Weg durch die Monarchie« angetreten haben.
Mit diesem ersten Bereich durch Subjekte bzw. durch vergleichbare Repräsen-
tationsstrategien verwoben ist der Raum, in dem Translate im engeren Sinn her-
gestellt werden, die das Produkt der der Habsburgermonarchie innewohnenden
ethnischen Gruppierungen sind, also sowohl Übersetzungs- und Dolmetsch-
leistungen im administrativen Bereich als auch literarische Übersetzungen. In
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437