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1. Einleitung
22 ses , dessen traditioneller Grundhaltung sie selbst sich immer mehr entfremdet hatten , nicht
ungern. ( Bergmann 1936 [ 2006 , 634 ])
Der Kreis , der sich immer seltener traf und zunehmend von Waismann bestimmt wurde ,
hatte für Bergmann kaum mehr etwas mit dem „Wiener Kreis“ als Schulbezeichnung und
der ursprĂĽnglichen Gruppe zu tun ( Bergmann 1936 [ 2006 , 635 ]), wobei ich auf die Prob-
lematik des Wiener Kreises als „Schule“ unten zurückkommen werde.
Mit Verweis auf Carnap hat es sich eingebĂĽrgert , einen linken von einem rechten FlĂĽ-
gel zu unterscheiden. Dem rechten Flügel werden Schlick und Waismann zugezählt , dem
linken Carnap , Neurath und Hahn. Der linke FlĂĽgel trat fĂĽr ein liberaleres Sinnkriterium
ein. ( Carnap 1963a [ 1993 , 89 ]) Die Namensgebung deckte sich jedoch grob mit der politi-
schen Orientierung. ( Allgemein dazu Stöltzner / Uebel 2006b , XLVII )
Publikationsorgane : Mit zunehmender Institutionalisierung wurden auch mehrere Pub-
likationsorgane geschaffen. So wurde im Jahre 1930 die Zeitschrift Erkenntnis gegrĂĽndet.
Die Jahrgänge folgten in ihrer Nummerierung zunächst dem akademischen Jahr , weshalb
beispielsweise Band 1 die Jahreszahl „1930/31“ trägt. Die moralischen und politischen Zu-
sammenhänge fanden in der Erkenntnis jedoch kaum Niederschlag. Dahms schreibt dies
dem Einfluss Schlicks zu. Dieser hätte danach getrachtet , explizit politische Gegenstände
aus der Zeitschrift herauszuhalten. ( Dahms 1994 , 38 ) FĂĽr den Ausschluss ethischer The-
men bietet dies jedoch keine Erklärung.
Sichtbaren Niederschlag fand die Ethik in der von Schlick und Frank gemeinsam he-
rausgegebenen Reihe Schriften zur wissenschaftlichen Weltauffassung , in der zwischen 1928
und 1937 elf Bände erschienen. Drei davon befassen sich mit Ethik bzw. Wertlehre : ( 1 )
Moritz Schlick , Fragen der Ethik ( Band 4 ), ( 2 ) Otto Kant , Zur Biologie der Ethik. Psycho-
pathologische Untersuchungen ĂĽber SchuldgefĂĽhl und moralische Idealbildung. Zugleich ein Bei-
trag zum Wesen des neurotischen Menschen ( Band 7 ) und ( 3 ) Viktor Kraft , Die Grundlagen
einer wissenschaftlichen Wertlehre ( Band 11 ).
Otto Neurath gab in Verbindung mit anderen ab 1933 die Reihe Einheitswissenschaft mit
sieben Heften und drei Monografien heraus. Ab 1938 betreute er mit Carnap und Charles
Morris auch noch die Reihe Foundations of the Unity of Science. Toward an International
Encyclopedia of Unified Science ( zunächst : Encyclopedia of Unified Science ). In dieser Reihe
erschienen insgesamt an die 20 BĂĽcher , unter ihnen auch John Deweys Theory of Valuati-
on und Abraham Edels Science and Structure of Ethics.12
Das Ende des Wiener Kreises : Die Frage , wann der Wiener Kreis endete , ist durch die
langsame Auflösung des ZirkelsÂ
– nur Kraft und Juhos waren während des Zweiten Welt-
krieges noch in WienÂ
– und die im Exil nachfolgenden gemeinsamen Aktivitäten schwer
zu beantworten. Für Stöltzner / Uebel ( 2006b ) endet der historische Wiener Kreis 1936.
Dem werde ich mich in dieser Untersuchung anschlieĂźen. Wo keine weitere Qualifizie-
12 Zu den Inhaltsverzeichnissen der Publikationen siehe Stadler ( 1997a , 640 ff. ).
Ethik und Moral im Wiener Kreis
Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ethik und Moral im Wiener Kreis
- Subtitle
- Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
- Author
- Annemarie Siegetsleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79533-9
- Size
- 16.9 x 23.9 cm
- Pages
- 450
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- 1. Einleitung 13
- 2. Terminologische Klärungen 37
- 3. Moral und Ethik im Wiener Kreis und die Standardauffassung logisch- empiristischer Ethik 52
- 4. Das kulturelle Umfeld des politischen und moralischen Engagements 67
- 5. Rudolf Carnap : Individualistischer Dezisionismus und wissenschaftlicher Humanismus 89
- 5.1 Einleitung 89
- 5.2 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik vor der Wiener-Kreis-Periode 92
- 5.3 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik in der Wiener-Kreis-Periode 111
- 5.3.1 Der logische Aufbau der Welt ( 1928a ) und die Konstitution von Werten 111
- 5.3.2 Scheinprobleme in der Philosophie ( 1928b ) 120
- 5.3.3 „Wissenschaft und Leben“ ( 1929b ) 123
- 5.3.4 „Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“ ( 1931/32 ) 129
- 5.3.5 „Theoretische Fragen und praktische Entscheidungen“ ( 1934a ) 133
- 5.3.6 Philosophy and Logical Syntax ( 1935 ) 136
- 5. 3. 7 Carnaps moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 138
- 5.3.8 Carnaps individualistischer Dezisionismus und die Lebenspraxis 141
- 5.3.9 Möglichkeiten und Grenzen der Ethik 148
- 5.4 Spätphase : Optative 149
- 5.5 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 160
- 6. Karl Menger : Mathematische Modelle für ein verträgliches Zusammenleben 163
- 6.1 Einleitung 163
- 6.2 Mengers Logik der Sitten 168
- 6.3 Mengers Moralauffassung 177
- 6.3.1 Moral 1. und 2. Stufe , Basismoralen 177
- 6.3.2 Sinn und Zweck der / einer Moral 177
- 6.3.3 Kritik am Kategorischen Imperativ 179
- 6.3.4 Mengers Konzeption der Moralsprache : Semantischer Nonkognitivismus 180
- 6.3.5 Moralische Erkenntnis : Fundamentaler Nonkognitivismus und systemimmanenter Kognitivismus 182
- 6.4 Mengers Ethikverständnis 186
- 6.5 Menger und die Angewandte Ethik 193
- 6.6 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 194
- 7. Otto Neurath : Moral auf der Grundlage gemeinsam beschlossener humanistischer Lebensgrundsätze und Ethik in der Einheitswissenschaft 196
- 8. Philipp Frank : Pragmatische Ethik und relativierte Moral 251
- 9. Moritz Schlick : Eudämonistische Ethik als Weisheitslehre 265
- 10. Victor Kraft : Zwei-Komponenten-Kognitivismus und rationale MoralbegrĂĽndung 332
- 10.1 Einleitung 332
- 10.2 Krafts moralische und ethische Auffassungen in der Wiener-Kreis-Periode 337
- 10.3 Krafts moralische und ethische Auffassungen nach der Wiener-Kreis-Periode 371
- 10.3.1 MoralbegrĂĽndung auf Grundlage der Kultur : Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre , 2. Auflage ( 1951 ) 371
- 10.3.2 MoralbegrĂĽndung auf Grundlage natĂĽrlicher Ziele : Rationale MoralbegrĂĽndung ( 1963 ) 374
- 10.3.3 Moralbegründung auf der Grundlage primärer Strebensziele : Die Grundlagen der Erkenntnis und der Moral ( 1968 ) 377
- 10.4 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 383
- 11. Herbert Feigl : Pragmatische MoralbegrĂĽndung 387
- 12. Systematische Zusammenfassung und allgemeine Schlussbemerkungen 402
- 12.1 Mangelndes Interesse an Moral als Menschen und BĂĽrgerinnen oder BĂĽrger 402
- 12.2 Geteilte moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 403
- 12.3 Differenzierungen in den Moralkonzeptionen 404
- 12.4 Differenzierungen in den Ethikkonzeptionen 409
- 12.5 Ausblick auf zukĂĽnftige Forschung 412
- 12.6 Allgemeine Schlussbemerkungen 413
- Literatur 417
- AbkĂĽrzungen 440
- Bildquellennachweis 440
- Personenregister 441