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196 7. Otto Neurath : Moral auf der Grundlage gemeinsam
beschlossener humanistischer LebensgrundsÀtze und
Ethik in der Einheitswissenschaft
7.1 Einleitung
Otto Neurath ( 1882â1945 ) gehört mit Carnap und Schlick zum fĂŒhrenden Dreigestirn des
Wiener Kreises. Er war neben seinen BeitrĂ€gen als Theoretiker der groĂe Aktivist und Or-
ganisator , wie ihm auch Carnap in einem Brief kurz vor Neuraths Tod noch einmal an-
erkennend attestierte :
Your temper and way of acting is different from most of us ; it is more energetic , active , driv-
ing , aggressive. Consequently , it has fallen to you to be the driving force in our movement
and all its various activities. We all are grateful and appreciative for this ; we all realize where
our train would still be stuck if we hadnât had the big locomotive. ( Carnap in seinem letzten
Brief an Neurath , 23. August 1945 , Nachlass Neurath , Inv.-Nr. 223 )254
Neurath war jemand , der auch Ă€uĂerlich durch seine GröĂe und sein lautes Organ auf-
fiel. ( Geier 1992 , 17 )255 Angeblich aufgrund dieser LautstÀrke lud Schlick Neurath nie zu
sich nach Hause ein :
Ich kann doch nicht einen Mann mit einer so lauten Stimme bei mir sehen ; hier spielt man
Mozart und unterhÀlt sich nachher leise. Was soll da so ein Mann mit einer so lauten Stim-
me ? ( Schlick laut dem GesprÀch mit Neider 1977 , 25 )
254 Neuraths Nachlass ist , wie in der Einleitung erwÀhnt , Teil des Vienna Circle Archivs , das sich in Haar-
lem in der NĂ€he von Amsterdam befindet. Die Inventarnummern folgen dem Inventarverzeichnis
des wissenschaftlichen Nachlasses von Moritz Schlick und Otto Neurath , das Reinhard Fabian 2007
erstellte. Es ist abrufbar unter : http://viennacirclefoundation.nl/VCArchive.pdf
255 Neurath selbst stellte sich gern als Elefant dar und verwendete entsprechende Zeichnungen als per-
sönliche Signatur in Briefen. Die Betonung seiner direkten Art und Tatkraft fasste Neurath spÀ-
ter als zwiespĂ€ltig auf : âBut now I am beginning to think , that the traditional story of me as a wild
man with some friendly grunt is very incomplete and rather a kind of ârationalizationâ , which ena-
bles people to humiliate me , instead of taking me into their circle of friendship and contacts. And
here is the point : apparently I am far away from âBonzentumâ. And I should guess , that people , who
have something of that , of âsnobishnessâ etc have some aversion , when seeing how I cannot go on
with that.â ( Neurath an Carnap , 22. September 1945 , 2 , nicht abgeschickt , Nachlass Neurath , Inv.-
Nr. 223 )
Ethik und Moral im Wiener Kreis
Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ethik und Moral im Wiener Kreis
- Subtitle
- Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
- Author
- Annemarie Siegetsleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79533-9
- Size
- 16.9 x 23.9 cm
- Pages
- 450
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- 1. Einleitung 13
- 2. Terminologische KlÀrungen 37
- 3. Moral und Ethik im Wiener Kreis und die Standardauffassung logisch- empiristischer Ethik 52
- 4. Das kulturelle Umfeld des politischen und moralischen Engagements 67
- 5. Rudolf Carnap : Individualistischer Dezisionismus und wissenschaftlicher Humanismus 89
- 5.1 Einleitung 89
- 5.2 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik vor der Wiener-Kreis-Periode 92
- 5.3 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik in der Wiener-Kreis-Periode 111
- 5.3.1 Der logische Aufbau der Welt ( 1928a ) und die Konstitution von Werten 111
- 5.3.2 Scheinprobleme in der Philosophie ( 1928b ) 120
- 5.3.3 âWissenschaft und Lebenâ ( 1929b ) 123
- 5.3.4 âĂberwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Spracheâ ( 1931/32 ) 129
- 5.3.5 âTheoretische Fragen und praktische Entscheidungenâ ( 1934a ) 133
- 5.3.6 Philosophy and Logical Syntax ( 1935 ) 136
- 5. 3. 7 Carnaps moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 138
- 5.3.8 Carnaps individualistischer Dezisionismus und die Lebenspraxis 141
- 5.3.9 Möglichkeiten und Grenzen der Ethik 148
- 5.4 SpÀtphase : Optative 149
- 5.5 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 160
- 6. Karl Menger : Mathematische Modelle fĂŒr ein vertrĂ€gliches Zusammenleben 163
- 6.1 Einleitung 163
- 6.2 Mengers Logik der Sitten 168
- 6.3 Mengers Moralauffassung 177
- 6.3.1 Moral 1. und 2. Stufe , Basismoralen 177
- 6.3.2 Sinn und Zweck der / einer Moral 177
- 6.3.3 Kritik am Kategorischen Imperativ 179
- 6.3.4 Mengers Konzeption der Moralsprache : Semantischer Nonkognitivismus 180
- 6.3.5 Moralische Erkenntnis : Fundamentaler Nonkognitivismus und systemimmanenter Kognitivismus 182
- 6.4 Mengers EthikverstÀndnis 186
- 6.5 Menger und die Angewandte Ethik 193
- 6.6 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 194
- 7. Otto Neurath : Moral auf der Grundlage gemeinsam beschlossener humanistischer LebensgrundsÀtze und Ethik in der Einheitswissenschaft 196
- 8. Philipp Frank : Pragmatische Ethik und relativierte Moral 251
- 9. Moritz Schlick : EudÀmonistische Ethik als Weisheitslehre 265
- 10. Victor Kraft : Zwei-Komponenten-Kognitivismus und rationale MoralbegrĂŒndung 332
- 10.1 Einleitung 332
- 10.2 Krafts moralische und ethische Auffassungen in der Wiener-Kreis-Periode 337
- 10.3 Krafts moralische und ethische Auffassungen nach der Wiener-Kreis-Periode 371
- 10.3.1 MoralbegrĂŒndung auf Grundlage der Kultur : Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre , 2. Auflage ( 1951 ) 371
- 10.3.2 MoralbegrĂŒndung auf Grundlage natĂŒrlicher Ziele : Rationale MoralbegrĂŒndung ( 1963 ) 374
- 10.3.3 MoralbegrĂŒndung auf der Grundlage primĂ€rer Strebensziele : Die Grundlagen der Erkenntnis und der Moral ( 1968 ) 377
- 10.4 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 383
- 11. Herbert Feigl : Pragmatische MoralbegrĂŒndung 387
- 12. Systematische Zusammenfassung und allgemeine Schlussbemerkungen 402
- 12.1 Mangelndes Interesse an Moral als Menschen und BĂŒrgerinnen oder BĂŒrger 402
- 12.2 Geteilte moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 403
- 12.3 Differenzierungen in den Moralkonzeptionen 404
- 12.4 Differenzierungen in den Ethikkonzeptionen 409
- 12.5 Ausblick auf zukĂŒnftige Forschung 412
- 12.6 Allgemeine Schlussbemerkungen 413
- Literatur 417
- AbkĂŒrzungen 440
- Bildquellennachweis 440
- Personenregister 441