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Ethik und Moral im Wiener Kreis - Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
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3.3 Die Rezeption in der Analytischen Philosophie 63 Ayer hatte sich 1932 auf Empfehlung seines Lehrers Gilbert Ryle einige Zeit in Wien auf- gehalten , wo er an Zusammenkünften des Wiener Kreises teilnahm.64 Auch 1959 behaup- tet Ayer im Vorwort zu seinem Sammelband Logical Positivism noch , sein Buch hätte die „klassische Position des Wiener Kreises“ dargestellt ( Ayer 1959 , 8 ).65 Fortan galt im Einflussbereich des Buches ein reiner individualistischer Emotivismus als ( historische Ausgangs- )Position und Paradigma logisch-empiristischer Ethik.66 Die Ethik des Logischen Empirismus beschränke sich darauf zu sagen , alle Wert- und Norm- sätze ( moralische und ethisch-normative eingeschlossen ) seien sinnlos , und alles , was sie darüber hinaus leisten könne , sei die sprachphilosophische Klärung der emotiven Bedeu- tungsfunktion , welche später um weitere nonkognitive Bedeutungsfunktionen erweitert wurde. Der Rest sei  – nicht nur mit Referenz auf Shakespeare , sondern insbesondere auch Wittgenstein  – Schweigen. Gelegentlich wird für die ablehnende Haltung einer Ethik gegenüber auch noch auf Reichenbach rekurriert , der im Februar 1915 in einem offenen Brief an den „Ziehvater der Jugendbewegung“ Gustav Wyneken eindrücklich formulierte : Ihr Alten , die ihr uns diese erbärmliche Katastrophe [ den Ersten Weltkrieg ; A. S. ] einge- brockt habt , ihr wagt überhaupt noch , uns von Ethik zu sprechen und unserem Leben Ziele zu geben ? Ihr , die ihr noch nicht einmal jedem in eurer Kulturgemeinschaft Lebenden das Recht auf persönliche Sicherheit vor den Raubtieranwandlungen seiner Mitmenschen sicher- gestellt habt , ihr habt das Recht verwirkt , unsere Führer zu sein. Wir verachten euch und eure grosse Zeit. ( Reichenbach an Wyneken , Februar 1915 ; abgedruckt in : Brodersen 1990 , 84 ) Dahms meint , es gehe in dieser Stelle um die Ablehnung einer wissenschaftlichen Ethik. ( Dahms 1994 , 62 ) Dem ist zu widersprechen. Reichenbach spricht hier von Moral im Wortgebrauch dieser Untersuchung , nicht Ethik. Er lehnt die Alten als moralische Auto- rität ab , nicht als Vertreter der Möglichkeit einer wissenschaftlichen Ethik. Dies ist nicht nur die übliche Außenansicht der Ethik des Wiener Kreises , sondern auch die in der Analytischen Philosophie tradierte , die sich u. a. als Weiterführung des Logischen Empirismus versteht. So bezog sich schon John Dewey , führender Vertreter des Pragmatis- mus und somit der zweiten Strömung , aus dem sich das Selbstverständnis der Analytischen 64 Näheres dazu in Ayer 1985. 65 Ayer dient vielen nach wie vor als Hauptquelle. Dies bemängelt Carus beispielsweise hinsichtlich So- ames 2003 : “This [ … ] is rather like relying solely on texts of Wolff for a discussion of Leibniz.” ( Ca- rus 2007a , 7 , Fn. 8 ) 66 Eine ähnliche Position wurde schon vor Ayer unabhängig vom Logischen Empirismus vertreten. Vgl. insbesondere Ogden / Richards 1923. Charles K. Ogden hatte 1922 Wittgensteins Tractatus ins Engli- sche übersetzt. Zur Geschichte des Emotivismus siehe auch das hervorragende Buch Ethical Emotivism von Stephen Satris 1986 , in dem Satris den direkten Einfluss deutscher und österreichischer Wertthe- orie auf Stevenson ausweist.
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Ethik und Moral im Wiener Kreis Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Ethik und Moral im Wiener Kreis
Subtitle
Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
Author
Annemarie Siegetsleitner
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79533-9
Size
16.9 x 23.9 cm
Pages
450
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. 1. Einleitung 13
    1. 1.1 Die Forschungsfragen 13
    2. 1.2 Der Wiener Kreis 16
      1. 1.2.1 Die nichtöffentliche Phase und der Kern des Zirkels 16
      2. 1.2.2 Die öffentliche Phase und die Auflösung 17
      3. 1.2.3 Der Wiener Kreis als philosophische Schule ? 23
      4. 1.2.4 Wiener Kreis und Logischer Empirismus 25
    3. 1.3 Thematische Eingrenzungen 26
    4. 1.4 Methodische Ausrichtung 28
    5. 1.5 Adressatenkreis und RezeptionshintergrĂĽnde 32
    6. 1.6 Werkaufbau , Zitierweise , geschlechterbewusste Sprache 35
  2. 2. Terminologische Klärungen 37
    1. 2.1 Einleitung 37
    2. 2.2 Teildisziplinen der Ethik 37
    3. 2.3 Metaethik 41
      1. 2.3.1 Ăśberblick 41
      2. 2.3.2 Sprachphilosophische Positionen 44
      3. 2.3.3 Ontologische Positionen 47
      4. 2.3.4 Erkenntnistheoretische Positionen 48
    4. 2.4 Abhängigkeitsverhältnisse der Positionen 50
  3. 3. Moral und Ethik im Wiener Kreis und die Standardauffassung logisch- empiristischer Ethik 52
    1. 3.1 Das vorherrschende Bild der Rolle und der Konzeptionen von Moral und Ethik im Wiener Kreis 52
    2. 3.2 Die Rezeption in der Frankfurter Schule und im Positivismusstreit 53
    3. 3.3 Die Rezeption in der Analytischen Philosophie 59
    4. 3.4 Die Standardauffassung logisch-empiristischer Ethik 65
  4. 4. Das kulturelle Umfeld des politischen und moralischen Engagements 67
    1. 4.1 Einleitung 67
    2. 4.2 Engagement in parteinahen Vereinigungen 67
    3. 4.2.1 Sozialdemokratische Arbeiterpartei und Vereinigung sozialistischer Hochschullehrer 67
      1. 4.2.2 Proletarische Freidenkerbewegung 68
    4. 4.3 Engagement in ĂĽberparteilichen Organisationen 70
      1. 4.3.1 Die Volksbildungsbewegung 70
      2. 4.3.2 Monistenbund 73
      3. 4.3.3 Die Ethische Bewegung 76
      4. 4.3.4 Verein Allgemeine Nährpflicht 84
    5. 4.4 Wiener Spätaufklärung und weltliche Ethik 86
    6. 4.5 Schlussbemerkungen 87
  5. 5. Rudolf Carnap : Individualistischer Dezisionismus und wissenschaftlicher Humanismus 89
    1. 5.1 Einleitung 89
    2. 5.2 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik vor der Wiener-Kreis-Periode 92
      1. 5.2.1 Das familiäre Umfeld 92
      2. 5.2.2 Carnaps intellektuelles Milieu zur Studienzeit in Jena 94
      3. 5.2.3 FrĂĽhe philosophische EinflĂĽsse 102
      4. 5.2.4 Carnaps moralisch-politische und ethische Auffassungen seit dem Ersten Weltkrieg 106
    3. 5.3 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik in der Wiener-Kreis-Periode 111
      1. 5.3.1 Der logische Aufbau der Welt ( 1928a ) und die Konstitution von Werten 111
      2. 5.3.2 Scheinprobleme in der Philosophie ( 1928b ) 120
      3. 5.3.3 „Wissenschaft und Leben“ ( 1929b ) 123
      4. 5.3.4 „Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“ ( 1931/32 ) 129
      5. 5.3.5 „Theoretische Fragen und praktische Entscheidungen“ ( 1934a ) 133
      6. 5.3.6 Philosophy and Logical Syntax ( 1935 ) 136
      7. 5. 3. 7 Carnaps moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 138
      8. 5.3.8 Carnaps individualistischer Dezisionismus und die Lebenspraxis 141
      9. 5.3.9 Möglichkeiten und Grenzen der Ethik 148
    4. 5.4 Spätphase : Optative 149
    5. 5.5 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 160
  6. 6. Karl Menger : Mathematische Modelle für ein verträgliches Zusammenleben 163
    1. 6.1 Einleitung 163
    2. 6.2 Mengers Logik der Sitten 168
    3. 6.3 Mengers Moralauffassung 177
      1. 6.3.1 Moral 1. und 2. Stufe , Basismoralen 177
      2. 6.3.2 Sinn und Zweck der / einer Moral 177
      3. 6.3.3 Kritik am Kategorischen Imperativ 179
      4. 6.3.4 Mengers Konzeption der Moralsprache : Semantischer Nonkognitivismus 180
      5. 6.3.5 Moralische Erkenntnis : Fundamentaler Nonkognitivismus und systemimmanenter Kognitivismus 182
    4. 6.4 Mengers Ethikverständnis 186
      1. 6.4.1 Mengers Haltung gegenĂĽber normativer Ethik 186
      2. 6.4.2 Von Menger anerkannte ethische Problemstellungen 189
      3. 6.4.3 Gefährdet eine solche Ethik die Moral ? 192
    5. 6.5 Menger und die Angewandte Ethik 193
    6. 6.6 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 194
  7. 7. Otto Neurath : Moral auf der Grundlage gemeinsam beschlossener humanistischer Lebensgrundsätze und Ethik in der Einheitswissenschaft 196
    1. 7.1 Einleitung 196
    2. 7.2 Neuraths Konzeption von Moral und Ethik vor der Wiener-Kreis-Periode : beglĂĽckende Verwaltungswirtschaft 203
    3. 7.3 Neuraths Konzeption von Moral und Ethik in der Wiener-Kreis-Periode 213
      1. 7.3.1 Wirtschaftsplan und Naturalrechnung ( 1925 ) 213
      2. 7.3.2 Sozialepikureismus : Lebensgestaltung und Klassenkampf ( 1928 ) 214
      3. 7.3.3 Wissenschaftliche Weltauffassung , Moral und Politik : Die Programmschrift ( 1929 ) 220
      4. 7.3.4 Ethik im Rahmen der Einheitswissenschaft 226
    4. 7.4 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 248
  8. 8. Philipp Frank : Pragmatische Ethik und relativierte Moral 251
    1. 8.1 Einleitung 251
    2. 8.2 Relativity – A Richer Truth 252
      1. 8.2.1 Die „Konferenzen über Naturwissenschaft , Philosophie und Religion“ : Werte- und Demokratieverfall 252
      2. 8.2.2 Naturwissenschaftlicher „Relativismus“, objektive Wahrheit und ihre Wirkung auf Moral und Politik 253
      3. 8.2.3 Pragmatische Ethik und relativierte Moral 256
    3. 8.3 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 262
  9. 9. Moritz Schlick : Eudämonistische Ethik als Weisheitslehre 265
    1. 9.1 Einleitung 265
    2. 9.2 Schlicks moralische und ethische Auffassungen vor seiner Wiener-Kreis-Periode 266
      1. 9.2.1 FrĂĽhe Auffassungen im Kontext 266
      2. 9.2.2 Lebensweisheit ( 1908 ): eine evolutionistische Ethik ? 270
      3. 9.2.3 Der neue Epikur und Die Philosophie der Jugend 288
    3. 9.3 Schlicks moralische und ethische Auffassungen in der Wiener-Kreis-Periode 290
      1. 9.3.1 Vom Sinn des Lebens ( 1927a ): Schlicks Menschenbild und Lebenseinstellung 290
      2. 9.3.2 Fragen der Ethik ( 1930 ): eine logisch-empiristische Ethik ? 297
      3. 9.3.3 Natur und Kultur ( postum 1952 ): Angewandte Ethik 322
    4. 9.4 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 327
  10. 10. Victor Kraft : Zwei-Komponenten-Kognitivismus und rationale MoralbegrĂĽndung 332
    1. 10.1 Einleitung 332
    2. 10.2 Krafts moralische und ethische Auffassungen in der Wiener-Kreis-Periode 337
      1. 10.2.1 Moral als ĂĽberindividuelle Perspektive : Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre ( 1937 ) 337
      2. 10.2.2 Normative inhaltliche Ethik : Rationale MoralbegrĂĽndungen 356
    3. 10.3 Krafts moralische und ethische Auffassungen nach der Wiener-Kreis-Periode 371
      1. 10.3.1 MoralbegrĂĽndung auf Grundlage der Kultur : Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre , 2. Auflage ( 1951 ) 371
      2. 10.3.2 MoralbegrĂĽndung auf Grundlage natĂĽrlicher Ziele : Rationale MoralbegrĂĽndung ( 1963 ) 374
      3. 10.3.3 Moralbegründung auf der Grundlage primärer Strebensziele : Die Grundlagen der Erkenntnis und der Moral ( 1968 ) 377
    4. 10.4 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 383
  11. 11. Herbert Feigl : Pragmatische MoralbegrĂĽndung 387
    1. 11.1 Einleitung 387
    2. 11.2 Feigls Auffassung von Moral und Ethik 389
      1. 11.2.1 Inhalt und allgemeine Form der Moral 389
      2. 11.2.2 MoralbegrĂĽndung 391
      3. 11.2.3 Feigls Auffassung von Ethik 399
    3. 11.3 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 401
  12. 12. Systematische Zusammenfassung und allgemeine Schlussbemerkungen 402
    1. 12.1 Mangelndes Interesse an Moral als Menschen und BĂĽrgerinnen oder BĂĽrger 402
    2. 12.2 Geteilte moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 403
    3. 12.3 Differenzierungen in den Moralkonzeptionen 404
      1. 12.3.1 Individuelles vs. gemeinsames Unternehmen 404
      2. 12.3.2 Sprachphilosophische , erkenntnistheoretische und ontologische Positionen 406
    4. 12.4 Differenzierungen in den Ethikkonzeptionen 409
    5. 12.5 Ausblick auf zukĂĽnftige Forschung 412
    6. 12.6 Allgemeine Schlussbemerkungen 413
  13. Literatur 417
  14. AbkĂĽrzungen 440
  15. Bildquellennachweis 440
  16. Personenregister 441
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