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4.3 Engagement in überparteilichen Organisationen
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ausgeberkomitee der Zeitschrift vertreten. Mit ihnen waren im Komitee : Stanton Coit ,
J. S. Mackenzie , J. H. Muirhead , Felix Adler und Josiah Royce. Wie in einem Beitrag zur
Geschichte der Zeitschrift im Jahre 1923 anlässlich des Wechsels der Zeitschrift zur Uni-
versity of Chicago Press festgehalten wurde , verdankt sich die Zeitschrift einem zuneh-
menden Interesse an „ethical thought and ethical practice“, das sich u. a. an der Etablie-
rung Ethischer Gesellschaften in mehreren großen Städten zeigte ( „The Future of the
Journal“ 1923 , 1 ). Adler hatte als Erster eine solche Gesellschaft in New York gegründet.
Coit arbeitete zunächst mit Adler in New York , bevor er 1888 in London „minister“ der
South Place Ethical Society wurde.97 Die ersten Ausgaben der Zeitschrift enthielten meh-
rere Beiträge von Sidgwick , William Salter sowie Helen und Bernard Bosanquet ,98 die in
der London Ethical Society aktiv waren.
Als Ziele der Zeitschrift Ethics galten :
1. To promote the study of ethics and of other sciences , in so far as they bear directly upon
conduct.
2. To discuss special moral problems suggested by the growing complexity of modern life.
3. To provide a medium for the criticism of art , literature , and politics , from the point of view
of their effect upon national and individual character.
4. To provide information concerning practical work of an educative and moralizing kind ,
which is conducted on a non-dogmatic basis. ( „The Future of the Journal“ 1923 , 4 )
Einem Beitrag von Jodl über Gižycki ist zu entnehmen , dass ursprünglich auch eine deut-
sche Ausgabe von Ethics geplant war :
Die zunächst in einem engen Kreise gewonnene Einigkeit über theoretische und praktische
Aufgaben der Ethik sollte in einer internationalen Zeitschrift ihren Ausdruck finden , welche
auch im Herbste 1890 ins Leben trat , freilich nach einem engeren Plane , als ursprünglich be-
absichtigt war. Das gleichzeitige Erscheinen einer englischen und einer deutschen Ausgabe
des „International Journal of Ethics“ erwies sich als undurchführbar , die Wirkung des engli-
schen Journals auf Deutschland als gering ; die Mitarbeit deutscher Gelehrter blieb spärlich
und vereinzelt. ( Jodl 1895 [ 1916 , 419 ])
97 Es war Coit , der 1909 The Subjection of Women von John Stuart Mill und Harriet Taylor-Mill neu he-
rausgab. ( Die Autorenschaft ist nicht mit Sicherheit geklärt. Als Autor wird meist nur Mill genannt ;
Mill 1869. )
98 Bernard Bosanquet war ein frühes Mitglied der Aristotelian Society. Von 1894–1898 amtierte er als deren
Präsident. Er wirkte als ein aktiver Liberaler , der in den 1910er-Jahren die Labour Party unterstützte.
Der Staat hatte seiner Auffassung nach eine wichtige Rolle für das soziale Wohlergehen zu spielen.
Zum Kreis seiner Adressatinnen und Adressaten zählten nicht nur Philosophinnen und Philosophen ,
sondern auch in Sozialarbeit und Politik Tätige. ( Sweet 2008 )
Ethik und Moral im Wiener Kreis
Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ethik und Moral im Wiener Kreis
- Subtitle
- Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
- Author
- Annemarie Siegetsleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79533-9
- Size
- 16.9 x 23.9 cm
- Pages
- 450
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- 1. Einleitung 13
- 2. Terminologische Klärungen 37
- 3. Moral und Ethik im Wiener Kreis und die Standardauffassung logisch- empiristischer Ethik 52
- 4. Das kulturelle Umfeld des politischen und moralischen Engagements 67
- 5. Rudolf Carnap : Individualistischer Dezisionismus und wissenschaftlicher Humanismus 89
- 5.1 Einleitung 89
- 5.2 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik vor der Wiener-Kreis-Periode 92
- 5.3 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik in der Wiener-Kreis-Periode 111
- 5.3.1 Der logische Aufbau der Welt ( 1928a ) und die Konstitution von Werten 111
- 5.3.2 Scheinprobleme in der Philosophie ( 1928b ) 120
- 5.3.3 „Wissenschaft und Leben“ ( 1929b ) 123
- 5.3.4 „Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“ ( 1931/32 ) 129
- 5.3.5 „Theoretische Fragen und praktische Entscheidungen“ ( 1934a ) 133
- 5.3.6 Philosophy and Logical Syntax ( 1935 ) 136
- 5. 3. 7 Carnaps moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 138
- 5.3.8 Carnaps individualistischer Dezisionismus und die Lebenspraxis 141
- 5.3.9 Möglichkeiten und Grenzen der Ethik 148
- 5.4 Spätphase : Optative 149
- 5.5 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 160
- 6. Karl Menger : Mathematische Modelle für ein verträgliches Zusammenleben 163
- 6.1 Einleitung 163
- 6.2 Mengers Logik der Sitten 168
- 6.3 Mengers Moralauffassung 177
- 6.3.1 Moral 1. und 2. Stufe , Basismoralen 177
- 6.3.2 Sinn und Zweck der / einer Moral 177
- 6.3.3 Kritik am Kategorischen Imperativ 179
- 6.3.4 Mengers Konzeption der Moralsprache : Semantischer Nonkognitivismus 180
- 6.3.5 Moralische Erkenntnis : Fundamentaler Nonkognitivismus und systemimmanenter Kognitivismus 182
- 6.4 Mengers Ethikverständnis 186
- 6.5 Menger und die Angewandte Ethik 193
- 6.6 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 194
- 7. Otto Neurath : Moral auf der Grundlage gemeinsam beschlossener humanistischer Lebensgrundsätze und Ethik in der Einheitswissenschaft 196
- 8. Philipp Frank : Pragmatische Ethik und relativierte Moral 251
- 9. Moritz Schlick : Eudämonistische Ethik als Weisheitslehre 265
- 10. Victor Kraft : Zwei-Komponenten-Kognitivismus und rationale Moralbegründung 332
- 10.1 Einleitung 332
- 10.2 Krafts moralische und ethische Auffassungen in der Wiener-Kreis-Periode 337
- 10.3 Krafts moralische und ethische Auffassungen nach der Wiener-Kreis-Periode 371
- 10.3.1 Moralbegründung auf Grundlage der Kultur : Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre , 2. Auflage ( 1951 ) 371
- 10.3.2 Moralbegründung auf Grundlage natürlicher Ziele : Rationale Moralbegründung ( 1963 ) 374
- 10.3.3 Moralbegründung auf der Grundlage primärer Strebensziele : Die Grundlagen der Erkenntnis und der Moral ( 1968 ) 377
- 10.4 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 383
- 11. Herbert Feigl : Pragmatische Moralbegründung 387
- 12. Systematische Zusammenfassung und allgemeine Schlussbemerkungen 402
- 12.1 Mangelndes Interesse an Moral als Menschen und Bürgerinnen oder Bürger 402
- 12.2 Geteilte moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 403
- 12.3 Differenzierungen in den Moralkonzeptionen 404
- 12.4 Differenzierungen in den Ethikkonzeptionen 409
- 12.5 Ausblick auf zukünftige Forschung 412
- 12.6 Allgemeine Schlussbemerkungen 413
- Literatur 417
- Abkürzungen 440
- Bildquellennachweis 440
- Personenregister 441