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6.2 Mengers Logik der Sitten
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Gruppe vereint zu werden. ( Menger 1934a [ 1997 , 172 ]) Diejenigen , die in unserem Beispiel
aufgrund ihrer Stellungnahme hinsichtlich der Höflichkeitsnorm miteinander verkehren
können , sind verträglich.228 Wir können diejenigen , die verträglich sind , in Verträglich-
keitsgruppen zusammenfassen :
Verträglichkeitsgruppe : Eine Gruppe ist eine Verträglichkeitsgruppe hinsichtlich einer
gewissen Einteilung , „wenn je zwei ihrer Mitglieder hinsichtlich der betreffenden Ein-
teilung miteinander verträglich sind“ ( Menger 1934a [ 1997 , 172 ]). In eine Verträglich-
keitsgruppe können durchaus auch solche Menschen zusammengefasst werden , die nicht
gegenĂĽber den infrage stehenden Normen dieselbe Stellung einnehmen , solange sie im
Verkehr miteinander kompatibel sind. Verträglichkeit braucht nicht Übereinstimmung , da
sich die Verträglichkeit nicht auf Gruppen der Übereinstimmung beschränkt. Die Bezie-
hung der Selbstverträglichkeit tut dies hingegen :
Selbstverträglichkeit : Selbstverträglich ist , wer „mit jedem mit ihm übereinstimmenden
Menschen , d. h. mit jedem Menschen , der gegenĂĽber allen Normen dieselbe Stellung wie
er einnimmt , verträglich ist“ ( Menger 1934a [ 1997 , 172 ]). Nicht alle Menschen sind jedoch
bereit , mit ihnen ĂĽbereinstimmenden Menschen zu verkehren. Mitglieder der Gruppe c
sind es in unserem Beispiel nicht. Sie sind unhöflich und empfindlich. Als Empfindliche
vertragen sie nicht , dass die anderen unhöflich sind.
Verträglichkeit braucht aber auch keine Schlichtheit ( Schlichtheit ist nicht notwen-
dig für Verträglichkeit ).
Schlichtheit : Schlicht nennt Menger einen Menschen , der „von seiner Umgebung die-
selbe Stellungnahme gegenüber den Normen wünscht , die er selbst einnimmt“ ( Menger
1934a [ 1997 , 174 ]). Wer schlicht und höflich ist , fordert von anderen Höflichkeit , ist also
empfindlich. Wer schlicht und unhöflich ist , also keinen Wert auf Höflichkeit legt , for-
dert von den anderen keine Höflichkeit , ist also unempfindlich.
Verträglich sind demnach auch Gruppen , die nicht schlicht sind. In einer Gruppe , in
der alle einander akzeptieren können ( Verträglichkeitsgruppe ), können durchaus auch sol-
che Menschen aufgenommen werden , die nicht gegenĂĽber den infrage stehenden Normen
dieselbe Stellung einnehmen , solange sie im Verkehr miteinander kompatibel sind. Wenn
eine Person fĂĽr sich selbst die Forderung anerkennt , andere durch Rauchen keinem zu-
sätzlichen Krebsrisiko auszusetzen , das Rauchen bei anderen jedoch toleriert , so bildet sie
mit Rauchenden , die anderen das Nichtrauchen zugestehen , eine Verträglichkeitsgrup-
pe.229 In unserem obigen Höflichkeits-Beispiel ist es die Gruppe b ( die höflichen unemp-
findlichen Menschen ), die mit allen anderen Gruppen verträglich ist , obwohl die Men-
schen dieser Gruppe nicht schlicht sind. Höfliche und unhöfliche Menschen können eine
Verträglichkeitsgruppe bilden.230
228 Die Relation , verträglich zu sein , ist nicht transitiv.
229 Rauchende als Beispiel bringt Menger selbst in Menger ( 1983 , 13–26 ).
230 Ebensolches gilt fĂĽr autokratische und unterwĂĽrfige Menschen , wie Menger in Menger 1983 ausfĂĽhrt.
Ethik und Moral im Wiener Kreis
Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ethik und Moral im Wiener Kreis
- Subtitle
- Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
- Author
- Annemarie Siegetsleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79533-9
- Size
- 16.9 x 23.9 cm
- Pages
- 450
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- 1. Einleitung 13
- 2. Terminologische Klärungen 37
- 3. Moral und Ethik im Wiener Kreis und die Standardauffassung logisch- empiristischer Ethik 52
- 4. Das kulturelle Umfeld des politischen und moralischen Engagements 67
- 5. Rudolf Carnap : Individualistischer Dezisionismus und wissenschaftlicher Humanismus 89
- 5.1 Einleitung 89
- 5.2 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik vor der Wiener-Kreis-Periode 92
- 5.3 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik in der Wiener-Kreis-Periode 111
- 5.3.1 Der logische Aufbau der Welt ( 1928a ) und die Konstitution von Werten 111
- 5.3.2 Scheinprobleme in der Philosophie ( 1928b ) 120
- 5.3.3 „Wissenschaft und Leben“ ( 1929b ) 123
- 5.3.4 „Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“ ( 1931/32 ) 129
- 5.3.5 „Theoretische Fragen und praktische Entscheidungen“ ( 1934a ) 133
- 5.3.6 Philosophy and Logical Syntax ( 1935 ) 136
- 5. 3. 7 Carnaps moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 138
- 5.3.8 Carnaps individualistischer Dezisionismus und die Lebenspraxis 141
- 5.3.9 Möglichkeiten und Grenzen der Ethik 148
- 5.4 Spätphase : Optative 149
- 5.5 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 160
- 6. Karl Menger : Mathematische Modelle für ein verträgliches Zusammenleben 163
- 6.1 Einleitung 163
- 6.2 Mengers Logik der Sitten 168
- 6.3 Mengers Moralauffassung 177
- 6.3.1 Moral 1. und 2. Stufe , Basismoralen 177
- 6.3.2 Sinn und Zweck der / einer Moral 177
- 6.3.3 Kritik am Kategorischen Imperativ 179
- 6.3.4 Mengers Konzeption der Moralsprache : Semantischer Nonkognitivismus 180
- 6.3.5 Moralische Erkenntnis : Fundamentaler Nonkognitivismus und systemimmanenter Kognitivismus 182
- 6.4 Mengers Ethikverständnis 186
- 6.5 Menger und die Angewandte Ethik 193
- 6.6 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 194
- 7. Otto Neurath : Moral auf der Grundlage gemeinsam beschlossener humanistischer Lebensgrundsätze und Ethik in der Einheitswissenschaft 196
- 8. Philipp Frank : Pragmatische Ethik und relativierte Moral 251
- 9. Moritz Schlick : Eudämonistische Ethik als Weisheitslehre 265
- 10. Victor Kraft : Zwei-Komponenten-Kognitivismus und rationale MoralbegrĂĽndung 332
- 10.1 Einleitung 332
- 10.2 Krafts moralische und ethische Auffassungen in der Wiener-Kreis-Periode 337
- 10.3 Krafts moralische und ethische Auffassungen nach der Wiener-Kreis-Periode 371
- 10.3.1 MoralbegrĂĽndung auf Grundlage der Kultur : Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre , 2. Auflage ( 1951 ) 371
- 10.3.2 MoralbegrĂĽndung auf Grundlage natĂĽrlicher Ziele : Rationale MoralbegrĂĽndung ( 1963 ) 374
- 10.3.3 Moralbegründung auf der Grundlage primärer Strebensziele : Die Grundlagen der Erkenntnis und der Moral ( 1968 ) 377
- 10.4 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 383
- 11. Herbert Feigl : Pragmatische MoralbegrĂĽndung 387
- 12. Systematische Zusammenfassung und allgemeine Schlussbemerkungen 402
- 12.1 Mangelndes Interesse an Moral als Menschen und BĂĽrgerinnen oder BĂĽrger 402
- 12.2 Geteilte moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 403
- 12.3 Differenzierungen in den Moralkonzeptionen 404
- 12.4 Differenzierungen in den Ethikkonzeptionen 409
- 12.5 Ausblick auf zukĂĽnftige Forschung 412
- 12.6 Allgemeine Schlussbemerkungen 413
- Literatur 417
- AbkĂĽrzungen 440
- Bildquellennachweis 440
- Personenregister 441