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11.2 Feigls Auffassung von Moral und Ethik
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Moral ( normative ) judgments are validated by ( reference to empirical facts and ) the axiolog-
ical principles ( norms ) of the given moral code. The adoption of these principles themselves
may be justified pragmatically ( vindicated ) by reference to purposes ( terminal valuations )
und the ( usually inductive or , in the degenerate case , deductive ) relations between means
and ends. ( Feigl 1950 [ 1981 , 267 ])
11.2.2.2 Ablehnung religiöser , metaphysischer und intuitionistischer Begründung
Die Grundnormen mittels übernatürlicher Instanzen zu begründen , lehnt Feigl ab :
[ … ] the question of the goodness or rightness of divine commandments or of metaphysically
founded imperatives can only be silenced but not answered in any intelligible or enlight ening
fashion. ( Feigl 1950 [ 1981 , 256 f. ])
Oder wie er es in seinem konstruierten Dialog „Validation and Vindication“ ( 1952 ) erklärt :
Any reference to the revealed commands of a divine authority is futile. For you would have to
tell how you can know those imperatives as divine ; and even if you were to know them as such
you would have to state a reason as to why anybody should obey them. The same criticisms
apply to any alleged metaphysical insight into what man ought to be. ( Feigl 1952 [ 1981 , 380 ])
Ausführlich darauf zu sprechen kommt Feigl 1965 in seinem Aufsatz „Modernisierte Theo-
logie und wissenschaftliche Weltanschauung“ ( Feigl 1965 ).537 Was den Gottesglauben be-
trifft , so Feigl in einem anderen Artikel , drückt sich für ihn darin reines Wunschdenken
aus. ( Feigl 1974 [ 1981 , 13 ])
Feigl spricht sich jedoch nicht gegen jede Religion schlechthin aus. Es gebe auch nicht-
fundamentalistische Religionen , welche sich jedoch letztlich auf moralische Appelle redu-
zieren. Wo „Religion“ ( nur noch ) eine Lebenshaltung meint ,
die an Idealen hängt wie Frieden , Bruderschaft aller Menschen , allumfassender Güte und
Gerechtigkeit und der Selbstvervollkommnung des Menschen in der Kunst des Lebens , des
Lernens und des schöpferischen Tuns ( Feigl 1965 , 109 ),
dort trete sie für das Gleiche ein wie die wissenschaftliche Weltanschauung , von der der
wissenschaftliche Humanismus einen Teil bildet. Soweit es um die inhaltliche moralische
Position geht , liegt Übereinstimmung vor :
As a humanist I do not wish to deprive persons of their religious faith if it is an indispensa-
ble support for them and if it does help them to love their fellow human beings. But I enter-
537 Feigl spricht 1965 ungezwungen von „Weltanschauung“.
Ethik und Moral im Wiener Kreis
Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ethik und Moral im Wiener Kreis
- Subtitle
- Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
- Author
- Annemarie Siegetsleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79533-9
- Size
- 16.9 x 23.9 cm
- Pages
- 450
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- 1. Einleitung 13
- 2. Terminologische Klärungen 37
- 3. Moral und Ethik im Wiener Kreis und die Standardauffassung logisch- empiristischer Ethik 52
- 4. Das kulturelle Umfeld des politischen und moralischen Engagements 67
- 5. Rudolf Carnap : Individualistischer Dezisionismus und wissenschaftlicher Humanismus 89
- 5.1 Einleitung 89
- 5.2 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik vor der Wiener-Kreis-Periode 92
- 5.3 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik in der Wiener-Kreis-Periode 111
- 5.3.1 Der logische Aufbau der Welt ( 1928a ) und die Konstitution von Werten 111
- 5.3.2 Scheinprobleme in der Philosophie ( 1928b ) 120
- 5.3.3 „Wissenschaft und Leben“ ( 1929b ) 123
- 5.3.4 „Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“ ( 1931/32 ) 129
- 5.3.5 „Theoretische Fragen und praktische Entscheidungen“ ( 1934a ) 133
- 5.3.6 Philosophy and Logical Syntax ( 1935 ) 136
- 5. 3. 7 Carnaps moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 138
- 5.3.8 Carnaps individualistischer Dezisionismus und die Lebenspraxis 141
- 5.3.9 Möglichkeiten und Grenzen der Ethik 148
- 5.4 Spätphase : Optative 149
- 5.5 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 160
- 6. Karl Menger : Mathematische Modelle für ein verträgliches Zusammenleben 163
- 6.1 Einleitung 163
- 6.2 Mengers Logik der Sitten 168
- 6.3 Mengers Moralauffassung 177
- 6.3.1 Moral 1. und 2. Stufe , Basismoralen 177
- 6.3.2 Sinn und Zweck der / einer Moral 177
- 6.3.3 Kritik am Kategorischen Imperativ 179
- 6.3.4 Mengers Konzeption der Moralsprache : Semantischer Nonkognitivismus 180
- 6.3.5 Moralische Erkenntnis : Fundamentaler Nonkognitivismus und systemimmanenter Kognitivismus 182
- 6.4 Mengers Ethikverständnis 186
- 6.5 Menger und die Angewandte Ethik 193
- 6.6 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 194
- 7. Otto Neurath : Moral auf der Grundlage gemeinsam beschlossener humanistischer Lebensgrundsätze und Ethik in der Einheitswissenschaft 196
- 8. Philipp Frank : Pragmatische Ethik und relativierte Moral 251
- 9. Moritz Schlick : Eudämonistische Ethik als Weisheitslehre 265
- 10. Victor Kraft : Zwei-Komponenten-Kognitivismus und rationale Moralbegründung 332
- 10.1 Einleitung 332
- 10.2 Krafts moralische und ethische Auffassungen in der Wiener-Kreis-Periode 337
- 10.3 Krafts moralische und ethische Auffassungen nach der Wiener-Kreis-Periode 371
- 10.3.1 Moralbegründung auf Grundlage der Kultur : Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre , 2. Auflage ( 1951 ) 371
- 10.3.2 Moralbegründung auf Grundlage natürlicher Ziele : Rationale Moralbegründung ( 1963 ) 374
- 10.3.3 Moralbegründung auf der Grundlage primärer Strebensziele : Die Grundlagen der Erkenntnis und der Moral ( 1968 ) 377
- 10.4 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 383
- 11. Herbert Feigl : Pragmatische Moralbegründung 387
- 12. Systematische Zusammenfassung und allgemeine Schlussbemerkungen 402
- 12.1 Mangelndes Interesse an Moral als Menschen und Bürgerinnen oder Bürger 402
- 12.2 Geteilte moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 403
- 12.3 Differenzierungen in den Moralkonzeptionen 404
- 12.4 Differenzierungen in den Ethikkonzeptionen 409
- 12.5 Ausblick auf zukünftige Forschung 412
- 12.6 Allgemeine Schlussbemerkungen 413
- Literatur 417
- Abkürzungen 440
- Bildquellennachweis 440
- Personenregister 441