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129Grundlagen
der Poetik Musils
der Arbeit (II.3.) soll an einigen aussagekrÀftigen Beispielen die Bildung von
Konstellationen und InteraktionsverhÀltnissen untersucht und im Zusammen-
hang des umfassenden sozialen KrÀftefeldes interpretiert werden ; in diesem
Kontext ist ein besonderes Augenmerk der konkreten erzÀhlerischen Ausge-
staltung und ihren intertextuellen BezĂŒgen zu widmen, wofĂŒr die feldtheore-
tischen Vorgaben durch Fragestellungen und Analysemethoden der ErzÀhl-,
Gender-, Diskurs- und Medientheorie zu ergÀnzen sind. Gegenstand eines
abschlieĂenden Untersuchungsschritts (III.) sind dann die Implikationen,
welche die dabei erzielten Ergebnisse fĂŒr die (Re)Konstruktion der âErzeu-
gungsformelâ des Romans aus dem BedingungsgefĂŒge des zeitgenössischen
literarischen Feldes und weiterhin fĂŒr eine Analyse der Selbstobjektivierung
des Autors Musil in dessen GefĂŒge haben. Die vorliegende Studie beschreitet
also grosso modo den Weg von einer induktiv ausgerichteten Textanalyse des
Romans als kĂŒnstlerischer (Re)Konstruktion der ihn hervorbringenden sozia-
len Welt, die den gröĂten Teil der Untersuchung bildet, zu einer stĂ€rker histo-
risch-kontextuell verfahrenden Feldanalyse an ihrem Ende, worin der Autor
und sein Werk selbst als Akteur bzw. als Einsatz sozialer Auseinandersetzung
in den Mittelpunkt der Betrachtung rĂŒcken.
2.3 Medienkonkurrenz : Essayistisches vs. filmisches ErzÀhlen
(Musil kontra BalĂĄzs)
Bisher noch ungeklÀrt geblieben sind die Àsthetischen und romankonzep-
tionellen HintergrĂŒnde, die fĂŒr Musils forcierte Aufwertung der extradie-
getischen ErzÀhlstimme in Anschlag gebracht werden können. Mit seinem
spezifischen erzĂ€hlerischen Essayismus und dem âBeharren auf der erkennt-
nistheoretischen Kompetenz von Literaturâ reagierte er ja augenscheinlich
auf deren âLegitimationskriseâ im frĂŒhen 20. Jahrhundert.152 1912 hatte er in
seinem fragmentarisch gebliebenen Essay Novelleterlchen alarmiert festgestellt :
â[W]as ist uns denn diese Kunst, die wir ĂŒben ? Sie kĂ€mpft in uns um ihre
Existenz zwischen der aller Nacherfindung enteilenden TatsachenfĂŒlle der
gangen zu sein.â (S. 98 f.) Daraus folgt : âAls Produkt der Geschichte produziert der Habitus
individuelle und kollektive Praktiken, also Geschichte, nach den von der Geschichte erzeugten
Schemata ; er gewĂ€hrleistet die aktive PrĂ€senz frĂŒherer Erfahrungen, die sich in jedem Organis-
mus in Gestalt von Wahrnehmungs-, Denk-, und Handlungsschemata niederschlagen und die
Ăbereinstimmung und Konstantheit der Praktiken im Zeitverlauf viel sicherer als alle formalen
Regeln und expliziten Normen zu gewĂ€hrleisten suchen.â (S. 101)
152 Bolterauer : Die Herausforderung der neuen Medien, S. 165 f.
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Buch Kakanien als Gesellschaftskonstruktion - Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts"
Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Titel
- Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
- Untertitel
- Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Autor
- Norbert Christian Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78740-2
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 1224
- Schlagwörter
- Robert Musil, The Man without Qualities, modern novel, sociology of the novel, Pierre Bourdieu, cultural history
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 9
- Einleitung 11
- TEIL I : GRUNDLEGUNG
- TEIL II : ROMANTEXT ALS KRĂFTEFELD
- 1. âVersuchsstation des Weltuntergangsâ : Chronotopos und sozialer Raum 261
- 2. âZeitfigurenâ 1913/1930 âam gesellschaftlichen Schachbrettâ : Kapitalausstattung und Habitusbildung 328
- Erben und Enterbte 344
- Ulrich, Mann ohne Eigenschaften ) â Der Dilettant Walter 347
- Mann mit Eigenschaften 378
- Eigenschaftslosigkeit aus Marginalisierung : Ulrichs Alter Ego Moosbrugger 392
- Der moderne Industrielle : Ulrichs Gegenspieler Arnheim 409
- Adel und modernerKonservativismus : Ulrichs Inversion Leinsdorf 457
- Aufsteiger und Gebremste 482
- Realpolitik als âAntiessayismusâ : Der FunktionĂ€r Tuzzi (489) â Zur sozialen Erzeugung von Eigenschaften : Leo Fischel, Liberaler und âJudeâ 501
- Ein trojanisches Pferd des MilitÀrs : General Stumm von Bordwehr 523
- Terroristen und Propheten 548
- Forcierte âEigenschaftlichkeitâ : Der Antisemit Hans Sepp 558
- eingast, Faschist und Schwerenöter 584
- Der selbstbewusste Proletarier und junge Sozialist SchmeiĂer 601
- Friedel Feuermaul, Pazifist aus dem âGeiste des Expressionismusâ 613
- Gefallene Geliebte 643
- Zerrissener Zusammenhang, perspektivische Verschiebung : Ulrichs Geliebte Leona 649
- Petrifizierte âEigenschaftlichkeitâ, Macht des Faktischen : Ulrichs Geliebte Bonadea 659
- Leidende an einer geheimnisvollen Zeitkrankheit 672
- Wahnsinn als Methode : Clarisse 676
- Die frustrierte Ehefrau Klementine Fischel 694
- Ein gespaltener Habitus : Gerda Fischel 698
- Angepasste und Dissidentinnen 708
- Diotima, Frau mit Eigenschaften 712
- Agathe, Frau ohne Eigenschaften 737
- 3. âDie falschen zwischenmenschlichen Vereinigungen unserer Gesellschaftâ : Konstellationen und Interaktionen 768
- Ehen in der Krise 781
- Erosion der GeschlechteridentitĂ€ten : Die âTrĂ€ger des Zeit- wandelsâ Walter und Clarisse 788
- Von der physiologischen âZwangsherrschaftâ zur wissenschaftlichen EhefĂŒhrung : Diotima und Tuzzi 799
- Das schleichende Eindringen des Politischen ins Private : Leo und Klementine Fischel 809
- Unordentliche VerhÀltnisse, Geschlechterkampf 817
- Der Intellektuelle und die Kontrafaktur der âschönen Seeleâ : Ulrich und Bonadea 825
- Coitus interruptus als âLustselbstmordâ : Ulrich und Gerda 844
- Liebesversuche jenseits der Ehe 885
- Ulrichs frĂŒhes Einheitserlebnis 894
- Die verbindende Kraft des Antisemitismus : Gerda Fischel und Hans Sepp 902
- Liebe Ă la hausse, platonische âBegegnung zweier Berggipfelâ : Diotima und Arnheim 908
- Die âletzte Liebesgeschichteâ als Experiment der Androgynie : Ulrich und Agathe 928
- 3.2 Gleichgeschlechtliche Konstellationen : Moderne MĂ€nnerbeziehungen 998
- Konkurrenz um Prinzipien und Menschen 1000
- Reviermarkierungen im Kampf um eine Frau : Tuzzi gegen Arnheim, PreuĂen gegen Ăsterreich 1005
- Der Intellektuelle und der GroĂschriftsteller als Versucher : Ulrich gegen Arnheim 1014
- Ideologische Gegnerschaften, Klassenkampf 1059
- Entgegengesetzte âExponenten des Zeitgeistesâ : Hans Sepp und Feuer maul 1063
- BildungsbĂŒrger contra KleinbĂŒrger : Ulrich und Hans Sepp 1078
- BildungsbĂŒrger contra Proletarier : Ulrich und SchmeiĂer 1086
- TEIL III : ERZEUGUNGSFORMEL DES WERKS UND SELBSTOBJEKTIVIERUNG DES AUTORS
- Literaturverzeichnis 1169
- Musil-Texte 1169
- Andere Quellen 1169
- Nachschlagewerke 1176
- Allgemeine Forschungsliteratur 1176
- SekundÀrliteratur zu Musil 1193
- Register 1208