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347âZeitfigurenâ
1913/1930 âam gesellschaftlichen Schachbrettâ
dieses Reproduktions-âProjektsâ zu machen. Eine gelungene Erbschaft ist ein auf Be-
fehl des Vaters hin vollzogener Vatermord.73
Die hier skizzierte konflikttrÀchtige Struktur kann durch eine konziliante Hal-
tung des Sohnes abgemildert werden :
Erben, die bereit sind zu erben, also vom Erbe selber ererbt zu werden, und es sich
erfolgreich aneignen [âŠ], entgehen den WidersprĂŒchen der Erbschaft. Der bĂŒrger-
liche Vater, der fĂŒr seinen Sohn das will, was er selbst hat und ist, kann sich voll und
ganz in diesem alter ego, das er geschaffen hat, wiedererkennen. Dadurch wird das,
was er selber ist, bis ins Detail genau reproduziert, und die Vortrefflichkeit seiner eige-
nen gesellschaftlichen IdentitĂ€t bestĂ€tigt. Dasselbe gilt fĂŒr den Sohn.74
Allerdings âĂŒberschreitet der Wunsch des Vaters [âŠ] manchmal die Gren-
zen des Realismusâ, was zu einer beiderseitigen Entfremdungserfahrung fĂŒh-
ren kann und die Söhne bisweilen dazu bringt, âsymbolisch und in seinem
Grundsatz das vĂ€terliche âProjektââ zu vernichten, âindem sie in jeder Hinsicht
die Gegenposition zum Lebensstil der Familie beziehenâ.75 In solchen FĂ€llen
spitzt die manifeste Entfremdung zwischen den Generationen die Frage des
Erbes zu einer Entscheidungs- und Gewissensfrage zu â zu einer regelrechten
Krisensituation, die den mÀnnlichen Figuren des Mann ohne Eigenschaften ganz
unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten eröffnet : WĂ€hrend Moosbrugger ĂŒber
gar kein Erbe verfĂŒgt und Ulrich das seine zumindest partiell zurĂŒckweist,
nehmen Walter, Arnheim und Leinsdorf das ihrige auf jeweils charakteristi-
sche Weise an. In diesem Zusammenhang wird zu ĂŒberprĂŒfen sein, ob in der
erzĂ€hlten Welt Musils tatsĂ€chlich nur âGeld und Besitzâ oder nicht doch mehr
ĂŒbertragen wird und inwiefern sogar eine Verweigerungshaltung gegenĂŒber
dem Erbe als spezifischer Effekt desselben betrachtet werden muss.
Ulrich, Mann ohne Eigenschaften
In der Forschung zum Mann ohne Eigenschaften spielt die historisch-soziale
Codierung der mÀnnlichen Hauptfigur, die sichtlich an Musils eigene Biogra-
fie angelehnt ist76, eine kaum wahrnehmbare Rolle â obwohl es im Roman-
73 Bourdieu : WidersprĂŒche des Erbes, S. 652.
74 Ebd.
75 Ebd., S. 653.
76 Vgl. dazu die ausfĂŒhrlichen Darlegungen im Kap. III.2.
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Buch Kakanien als Gesellschaftskonstruktion - Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts"
Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Titel
- Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
- Untertitel
- Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Autor
- Norbert Christian Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78740-2
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 1224
- Schlagwörter
- Robert Musil, The Man without Qualities, modern novel, sociology of the novel, Pierre Bourdieu, cultural history
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 9
- Einleitung 11
- TEIL I : GRUNDLEGUNG
- TEIL II : ROMANTEXT ALS KRĂFTEFELD
- 1. âVersuchsstation des Weltuntergangsâ : Chronotopos und sozialer Raum 261
- 2. âZeitfigurenâ 1913/1930 âam gesellschaftlichen Schachbrettâ : Kapitalausstattung und Habitusbildung 328
- Erben und Enterbte 344
- Ulrich, Mann ohne Eigenschaften ) â Der Dilettant Walter 347
- Mann mit Eigenschaften 378
- Eigenschaftslosigkeit aus Marginalisierung : Ulrichs Alter Ego Moosbrugger 392
- Der moderne Industrielle : Ulrichs Gegenspieler Arnheim 409
- Adel und modernerKonservativismus : Ulrichs Inversion Leinsdorf 457
- Aufsteiger und Gebremste 482
- Realpolitik als âAntiessayismusâ : Der FunktionĂ€r Tuzzi (489) â Zur sozialen Erzeugung von Eigenschaften : Leo Fischel, Liberaler und âJudeâ 501
- Ein trojanisches Pferd des MilitÀrs : General Stumm von Bordwehr 523
- Terroristen und Propheten 548
- Forcierte âEigenschaftlichkeitâ : Der Antisemit Hans Sepp 558
- eingast, Faschist und Schwerenöter 584
- Der selbstbewusste Proletarier und junge Sozialist SchmeiĂer 601
- Friedel Feuermaul, Pazifist aus dem âGeiste des Expressionismusâ 613
- Gefallene Geliebte 643
- Zerrissener Zusammenhang, perspektivische Verschiebung : Ulrichs Geliebte Leona 649
- Petrifizierte âEigenschaftlichkeitâ, Macht des Faktischen : Ulrichs Geliebte Bonadea 659
- Leidende an einer geheimnisvollen Zeitkrankheit 672
- Wahnsinn als Methode : Clarisse 676
- Die frustrierte Ehefrau Klementine Fischel 694
- Ein gespaltener Habitus : Gerda Fischel 698
- Angepasste und Dissidentinnen 708
- Diotima, Frau mit Eigenschaften 712
- Agathe, Frau ohne Eigenschaften 737
- 3. âDie falschen zwischenmenschlichen Vereinigungen unserer Gesellschaftâ : Konstellationen und Interaktionen 768
- Ehen in der Krise 781
- Erosion der GeschlechteridentitĂ€ten : Die âTrĂ€ger des Zeit- wandelsâ Walter und Clarisse 788
- Von der physiologischen âZwangsherrschaftâ zur wissenschaftlichen EhefĂŒhrung : Diotima und Tuzzi 799
- Das schleichende Eindringen des Politischen ins Private : Leo und Klementine Fischel 809
- Unordentliche VerhÀltnisse, Geschlechterkampf 817
- Der Intellektuelle und die Kontrafaktur der âschönen Seeleâ : Ulrich und Bonadea 825
- Coitus interruptus als âLustselbstmordâ : Ulrich und Gerda 844
- Liebesversuche jenseits der Ehe 885
- Ulrichs frĂŒhes Einheitserlebnis 894
- Die verbindende Kraft des Antisemitismus : Gerda Fischel und Hans Sepp 902
- Liebe Ă la hausse, platonische âBegegnung zweier Berggipfelâ : Diotima und Arnheim 908
- Die âletzte Liebesgeschichteâ als Experiment der Androgynie : Ulrich und Agathe 928
- 3.2 Gleichgeschlechtliche Konstellationen : Moderne MĂ€nnerbeziehungen 998
- Konkurrenz um Prinzipien und Menschen 1000
- Reviermarkierungen im Kampf um eine Frau : Tuzzi gegen Arnheim, PreuĂen gegen Ăsterreich 1005
- Der Intellektuelle und der GroĂschriftsteller als Versucher : Ulrich gegen Arnheim 1014
- Ideologische Gegnerschaften, Klassenkampf 1059
- Entgegengesetzte âExponenten des Zeitgeistesâ : Hans Sepp und Feuer maul 1063
- BildungsbĂŒrger contra KleinbĂŒrger : Ulrich und Hans Sepp 1078
- BildungsbĂŒrger contra Proletarier : Ulrich und SchmeiĂer 1086
- TEIL III : ERZEUGUNGSFORMEL DES WERKS UND SELBSTOBJEKTIVIERUNG DES AUTORS
- Literaturverzeichnis 1169
- Musil-Texte 1169
- Andere Quellen 1169
- Nachschlagewerke 1176
- Allgemeine Forschungsliteratur 1176
- SekundÀrliteratur zu Musil 1193
- Register 1208