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1.1. Begriffe 21
tenz, dann durch seine politisch-administrativen Funktionen, seine stark ausgeprägte
Literalität, seine Mobilität, seine Mitgliedschaft in Vereinen, seine Bekanntschafts-
netzwerke – kurz, durch nahezu all jene Merkmale, die üblicherweise Angehörigen
des Bürgertums zugeschrieben werden.54 Lediglich sein ländlicher Hintergrund passt
nicht ganz ins Bild.55 Doch wenn nun Michael Pfurtscheller als Bürger betrachtet
54 Vgl. besonders Kocka, Bürgertum und Bürgerlichkeit, 1987; sowie: Ders., Bürgertum und bürger-
liche Gesellschaft, 1988; sowie auch noch über 20 Jahre später: Fahrmeir, Bürgertum des „Bürgerli-
chen Jahrhunderts“, 2010.
55 Wohl keine gängige Definition des Bürgertums zwischen 1750 und 1850 kommt ohne den Hinweis
aus, dass es sich dabei um ein vorrangig städtisches Phänomen handelte. Axel Flügel konstatiert, „die
Verbindung von Bürgertum und ländlicher Gesellschaft ist kein naheliegendes Thema“ (Axel Flügel,
Bürgertum und ländliche Gesellschaft im Zeitalter der konstitutionellen Monarchie, in: Sozial- und
Kulturgeschichte des Bürgertums. Eine Bilanz des Sonderforschungsbereichs (1986–1997), hg. v.
Peter Lundgreen, Göttingen 2000, S. 195–223, hier: S. 195.), und verweist unter anderem auf die
von Lothar Gall Anfang der 1990er herausgegebenen Sammelbände zur Geschichte des Bürgertums
im 19. Jahrhundert. (Vgl. Lothar Gall (Hg.), Stadt und Bürgertum im 19. Jahrhundert (Stadt und
Bürgertum 1), München 1990; sowie: Lothar Gall (Hg.), Vom alten zum neuen Bürgertum. Die
mitteleuropäische Stadt im Umbruch 1780–1820 (Stadt und Bürgertum 3), München 1991; sowie:
Lothar Gall (Hg.), Stadt und Bürgertum im Übergang von der traditionalen zur modernen Gesell-
schaft (Stadt und Bürgertum 4), München 1993.) Ländliches Bürgertum wird indes meist als Rand-
erscheinung betrachtet, „als eine Insel im bäuerlichen Umland“, wie es etwa Friedrich W. Bratvogel
ausdrückt. (Friedrich W. Bratvogel, Landadel und ländliches Bürgertum. Mecklenburg-Strelitz und
Oberschwaben 1750–1850, in: Geschichte und Gesellschaft 25 (1999), Heft 3, S. 404–428, hier: S.
427.) Sowohl Flügel als auch Bratvogel beschäftigen sich zwar mit Bürgertum am Land, lenken ihren
Blick jedoch vorrangig auf aus dem städtischen Bereich stammende Bürger, die landwirtschaftliche
Güter in ländlichen Regionen erwarben und nicht auf Bürger aus ländlich-bäuerlichem Milieu.
Der angesprochene städtische Fokus prägt auch die zehn Bände der Reihe „Bürgertum in der Habs-
burgermonarchie“ wesentlich. (Vgl. dazu besonders die Bände 1 und 2: Ernst Bruckmüller/Ulrike
Döcker/Hannes Stekl/Peter Urbanitsch (Hg.), Bürgertum in der Habsburgermonarchie, Wien–Köln
1990; sowie: Hannes Stekl/Peter Urbanitsch/Ernst Bruckmüller/Hans Heiss (Hg.), „Durch Arbeit,
Besitz, Wissen und Gerechtigkeit“ (Bürgertum in der Habsburgermonarchie 2), Wien–Köln–Wei-
mar 1992.) Hier finden sich jedoch auch Beiträge, die sich mit Bürgertum in ländlich geprägten
Regionen auseinandersetzen. Als Beispiele seien hier nur die Beiträge von Hans Heiss und Sergij
Volfan erwähnt: Heiss wird allerdings bei seiner Suche nach dem „Bürgertum in Südtirol“ wiederum
vor allem im (klein)städtischen Bereich fündig. Im ländlichen Bereich sei es, neben den bildungsbür-
gerlichen Beamten der Kreisämter und Landgerichte, das Gastgewerbe gewesen, das „als wichtigster
Promotor“ die Herausbildung eines gewissen Maßes von Bürgerlichkeit vorantrieb. Andererseits je-
doch stehe die Person des Wirtes auch für das „traditionelle Sozialprofil ‚Alteuropas‘“, rudert Heiss
wieder zurück. (Vgl. Hans Heiss, Bürgertum in Südtirol. Umrisse eines verkannten Phänomens, in:
Bürgertum in der Habsburgermonarchie, hg. v. Ernst Bruckmüller, Ulrike Döcker, Hannes Stekl
und Peter Urbanitsch, Wien–Köln 1990, S. 299–317, hier: S. 306 f.) In seinem im zweiten Band der
angesprochenen Reihe „Bürgertum in der Habsburgermonarchie“ erschienen Beitrag „Unternehmer
und Gutsbesitzer. Ländliches Bürgertum in Slowenien im 19. Jahrhundert“ diagnostiziert Sergij
Volfan zwar auch in Dörfern die Herausbildung „neue[r] Schichten, die man nur als bürgerlich
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435