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102 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant
berücksichtigt. Die Folge waren oft deutlich verlängerte Anreisewege, die von den Be-
troffenen als unzumutbar angesehen wurden. Margot Hamm illustriert die daraus ent-
stehenden „negativen Folgen für die Bevölkerung“ anhand des Beispiels des Stubaitals.
Die Reorganisierung der Landgerichte sorgte hier für anhaltende Diskussionen.198
Das Hofgericht Stubai wurde also – sehr zum Missfallen der Gerichtsgemeinden
– im Zuge dieser Umstrukturierung dem Landgericht Innsbruck einverleibt.199 Der
Richter des nun nicht mehr existenten Hofgerichtes, Joseph von Stolz, wurde ab
Dezember 1806 zum exponierten Aktuar200 des Landgerichtes Innsbruck in Schön-
berg.201 Diesen Weg ging man nicht nur im Stubai. Aufgrund schlechter Verkehrsver-
hältnisse oder bei übergroßen Landgerichtssprengeln wurden solche exponierten
Aktuare eingesetzt, so auch in Vils, Pfunds, Ampezzo, Buchenstein, Stenico und Sto-
ro.202 Von Stolz übte dieses Amt jedoch nicht sehr lange aus. Bereits Anfang Januar
1807 reichte er sein Demissionsgesuch ein. Als Gründe für seine Entscheidung führte
er gesundheitliche Gründe und die Größe seiner Landwirtschaft im von ihm betreu-
ten Bezirk an, die eventuell Zweifel an seiner Unparteilichkeit wecken könnte.203 Na-
heliegend ist jedoch auch die Vermutung Margot Hamms, er wäre mit dem Karrie-
rerückschritt vom selbstständigen Hofrichter zum untergebenen Aktuar unzufrieden
gewesen.204 Auf Seiten des Generallandeskommissariats zeigte man sich jedenfalls
grationspolitik, 1996, S. 108; sowie: Fridolin Dörrer, Die bayerischen Verwaltungssprengel in Tirol
1806–1814, in: Tiroler Heimat 22 (1958), S. 83–132.
198 Vgl. Hamm, Bayerische Integrationspolitik, 1996, S. 144–146.
199 Vgl. K.B. Reg.-Bl. 1806, Nr. 50, 10. Dezember 1806, S. 451 f.
200 Ein Aktuar war Mitarbeiter des jeweiligen Landgerichtes und dem Richter untergeordnet. Er war
wohl befugt, die üblicherweise in den ländlichen Regionen, in denen solche exponierten Aktuare
eingesetzt wurden, anfallenden Angelegenheiten zu regeln.
201 Vgl. Anstellungsdekret für Joseph von Stolz, 3. Dezember 1806, TLMF-Bib., Zur Geschichte Tirols
zur Zeit Napoleons I., FB 3704, Nr. 10; sowie: K.B. Reg.-Bl. 1806, Nr. 51, 17. Dezember 1806,
S. 470; sowie: Bittschreiben der Stubaier Bezirksausschüsse an das Generallandeskommissariat für
Tirol, 8. Januar 1807, TLA, GLK für Tirol, Karton Nr. 7, V/I/DI/1; sowie: Bittschreiben an den
König von Bayern, 1. März 1807, TLA, GLK für Tirol, Karton Nr. 7, V/I/DI/1; sowie: Hamm,
Bayerische Integrationspolitik, 1996, S. 146, Anm. 349.
202 Vgl. Dörrer, Verwaltungssprengel, 1958, S. 103.
203 Joseph von Stolz suchte bereits am 2. Januar 1807 um seine Entlassung an und nicht, wie Mar-
got Hamm angibt, erst am 8. (Vgl. Hamm, Bayerische Integrationspolitik, 1996, S. 146, Anm.
349.) Sein Dienstaustrittsgesuch findet sich in den Akten des Generallandeskommissariats für Tirol:
Dienstaustrittsgesuch von Stolz, 2. Januar 1807, TLA, GLK für Tirol, Karton Nr. 7, V/I/DI/1.
204 Diese Annahme Hamms wird bekräftigt dadurch, dass von Stolz bereits im Herbst 1810, nachdem
wiederum ein Landgericht Stubai (dritter Klasse) mit Sitz in Schönberg eingerichtet worden war,
wieder das Amt des Landrichters übernahm. (Vgl. K.B. Reg.-Bl. 1810, Nr. 53, 13. Oktober 1810,
Sp. 913–931; sowie: K.B. Reg.-Bl. 1810, Nr. 56, 17. Oktober 1810, Sp. 1006; sowie: Hamm, Bay-
erische Integrationspolitik, 1996, S. 146, Anm. 349.)
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435