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3.5. 1848 259
grundlegende Kenntnis über die Mitte März in Wien stattgefundenen revolutionä-
ren Ereignisse hatte. Ob deren Dankbarkeit jedoch über das behördlich angeordnete
Maß hinausging, die Hochämter mit Gleichgültigkeit oder gar Widerwillen began-
gen wurden, das ist nicht eruierbar.
Eine Einschätzung der Stimmungslage in der Region wird also – abgesehen von
der unzulässigen, grundlegenden Annahme, es handle sich bei „den Stubaiern“ um
eine homogene Gruppe – durch den Mangel an entsprechenden Quellen erschwert.
Die wenigen vorhandenen Hinweise zur Einstellung der Talbewohner hinsichtlich der
revolutionären Entwicklungen des Jahres 1848 ergeben ein ebenso schemenhaftes wie
ambivalentes Bild, dessen Konturierung einer spezialisierten Untersuchung bedürfte:
Im Rahmen seiner Bemühungen um die Anwerbung von Freiwilligen für den
Schutz der südlichen Landesgrenze – in Kapitel 3.5.2. wird darauf ausführlich ein-
gegangen – stieß Michael Pfurtscheller anfangs offenbar auf wenig Bereitwilligkeit.
Solange nicht klare Signale hinsichtlich einer Herabsetzung des von der Bevölkerung
als zu hoch empfundenen Salzpreises und anderer finanzieller Entlastungen gesetzt
würden, sei nicht mit einem Erfolg der Freiwilligenwerbung zu rechnen, so bemerkte
Pfurtscheller.867 Dies sowie der nach der tatsächlich Mitte April verfügten Herab-
setzung des Salzpreises offensichtlich erfolgte Sinneswandel der Bevölkerung hin-
sichtlich des freiwilligen Schützendienstes scheinen Argumente für die bereits zitierte
Analyse von Hans Heiss und Thomas Götz zu sein, wonach sich die Landbevölkerung
meist weniger für ideologisch aufgeladene Schlagwörter interessierte, als vielmehr für
ihre Lebenswelt vermeintlich direkter betreffende finanzielle Erleichterungen.868
Einen weiteren Eindruck von der Einstellung der Stubaier Untertanen zu Ereignis-
sen im Revolutionsjahr vermittelt ein vom Kreisamt in Schwaz im Namen des Lan-
despräsidiums von Landrichter Alois von Guggenberg eingeforderter Bericht vom
29. Mai 1848.869 Etwa einen Monat zuvor war die Mitte März in Aussicht gestellte
Verfassung per kaiserlichem Patent870 erlassen worden. Dem ständischen Zentralaus-
867 Vgl. Briefwechsel Pfurtscheller und Landesschutzdeputation, 11./12. April 1848, TLA, Abt. LV.,
1848, Landesschutzdeputation, Fasz. 262, Nr. 95. – Dieses Schreiben wurde offensichtlich – das
zeigt der Schriftvergleich – von Michael Pfurtschellers Sohn Johann verfasst und von Michael Pfurt-
scheller unterzeichnet.
868 Vgl. Heiss/Götz, Rand der Revolution, 1998, S. 67.
869 Vgl. Abschrift LG Mieders an KA Schwaz, 29. Mai 1848, TLA, Aktenserie LG Mieders, Fasz. 56,
1848, Abt. XVI. – Die Abschrift findet sich auf der Rückseite des Schreibens des Kreisamtes Schwaz
vom 26. Mai 1848, mit dem der Bericht von Guggenbergs angefordert wurde: KA Schwaz an LG
Mieders, 26. Mai 1848, TLA, Aktenserie LG Mieders, Fasz. 56, 1848, Abt. XVI.
870 Die mit kaiserlichem Patent vom 25. April 1848 kundgemachte, zumeist als „Pillersdorf’sche Verfas-
sung“ bekannte „Verfassungs-Urkunde des österreichischen Kaiserstaates“ findet sich unter anderem
hier in edierter Form: PGS Nr. 49/1848 (Patent vom 25. April 1848), S. 145–158; sowie – ausführ-
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435