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330 5. Familie Pfurtscheller
rung für die Frau haben sich Maria Denifl und Christian Kindl geeinigt: Kindl ver-
spricht, für durch – nicht näher definierte – Unglücksfälle am Vermögen seiner Frau
entstandene Schäden zur Hälfte aufzukommen.71
Für den Fall des Witwen- oder Witwerstandes sichern die Paare in allen drei Fäl-
len dem/der EhepartnerIn den lebenslänglichen Genuss ihrer Vermögen zu. Falls es
Nachkommen gebe, sollte dieser „Fruchtgenuss“ bei Maria Denifl und Christian
Kindl Schritt für Schritt an die Kinder übergehen, sobald diese nacheinander das
21. Lebensjahr vollenden würden.72 In allen drei Fällen sollten die Eheleute einander
also nicht beerben. Allerdings räumen Maria Denifl und Agnes Jäger ihren Gatten
das Recht ein, ihren Besitz käuflich zu erwerben, ehe an die übliche Aufteilung des
Erbes gegangen wird.73
Für den Lener-Pfurtschellerischen Ehepakt ergeben sich aus der Untersuchung die-
ser drei eben genannten, ebenfalls aus dem Jahr 1805 stammenden Verträge mehrere
Erkenntnisse. Erstens wird angesichts der geringen Anzahl von nur drei gerichtlich
protokollierten Ehepakten im Jahr 1805 deutlich, dass eine solche Protokollierung
– auf die auch Anna Lener und Michael Pfurtscheller verzichtet haben – eher die
Ausnahme als die Regel darstellte. Falls im Stubai – und davon ist wohl auszugehen
– im Jahr 1805 mehr Heiratskontrakte als die nun bekannten vier geschlossen wur-
den,74 wurden diese wohl im privaten Rahmen unterzeichnet und aufbewahrt.75 Die
drei gerichtlich protokollierten Verträge sind einander sehr ähnlich, unterscheiden
sich jedoch deutlich von der Vereinbarung zwischen Anna Lener und Michael Pfurt-
Stubaier Heiratskontrakten keine vergleichbaren Regelungen. Dies würde wiederum auf die Beson-
derheit des Lener-Pfurtschellerischen Vertrages hinweisen. Eine eingehendere Untersuchung von im
Stubaital abgeschlossenen Heiratskontrakten aus dieser Zeit wäre hier notwendig, muss im Rahmen
dieser Arbeit jedoch unterbleiben.
71 Vgl. Ehepakt Christian Kindl und Maria Denifl, 5. Januar 1805, TLA, VB Stubai, 34/238, Bl. 9 f.
72 Vgl. Ehepakt Christian Kindl und Maria Denifl, 5. Januar 1805, TLA, VB Stubai, 34/238, Bl. 9 f.;
sowie: Ehepakt Georg Denifl und Maria Stolz, 1. März 1805, TLA, VB Stubai, 34/238, Bl. 111 f.;
sowie: Ehepakt Joseph Kolb und Agnes Jäger, 2. Juli 1805, TLA, VB Stubai, 34/238, Bl. 280 f. – Die
Einräumung des lebenslänglichen Genussrechtes für den überlebenden Eheteil ist vor dem Hinter-
grund des bereits erwähnten Fehlens der Einrichtung einer Widerlage zu sehen.
73 Vgl. Ehepakt Christian Kindl und Maria Denifl, 5. Januar 1805, TLA, VB Stubai, 34/238, Bl. 9 f.;
sowie: Ehepakt Joseph Kolb und Agnes Jäger, 2. Juli 1805, TLA, VB Stubai, 34/238, Bl. 280 f. – Im
Fall von Agnes Jäger ist dieses Recht jedoch an die Bedingung geknüpft, dass es keine Kinder aus der
Ehe gibt.
74 Aus den Trauungsbüchern von Neustift, Fulpmes, Telfes, Mieders und Schönberg ist ersichtlich, dass
im Jahr 1805 nicht weniger als 30 Ehen im Stubaital geschlossen wurden. (Vgl. Trauungsbücher
Neustift II, Fulpmes II, Telfes IV, Mieders I u. Schönberg I, TLA, Mikrofilm Nr. 0653, 0661, 0659,
0640 u. 0637, Abschn. 12, 3, 7, 5 u. 3.)
75 Vgl. Lanzinger, Heiratskontrakte, 2010, S. 216 f. u. 311.
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435