Seite - 411 - in Ein Bürger unter Bauern? - Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
Bild der Seite - 411 -
Text der Seite - 411 -
6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 411
„Zechstube“ – wobei zu bemerken ist, dass sich nur schwer feststellen lässt, ob dies
der einzige für Kunden zugängliche Bereich des Hauses war188 – hätten sich demnach
drei Sitzbänke, zwei Landschaftsgemälde, 30 Biergläser in verschiedenen Größen,
drei „Lainstühl“ und vier Leuchter befunden. Im „Bierkeller“ wurden zwei „ganze
Maßkrüge“, 12 „halbe Maßkrüge“, 300 Pfund Käse und 17 Yhren189 Branntwein auf-
bewahrt.190 Pfurtschellers Bier- und Branntweinschenke bot keine Übernachtungs-
möglichkeiten für Gäste. Die Befugnis dazu hatten lediglich die bereits erwähnten
„Tafernwirte“. Davon gab es in Fulpmes nur einen. So bemerkte Andreas Alois Di-
pauli im Jahr 1814 in seinem Bericht über seine „Fußreise in die Umgebungen von
Innsbruck“, er und sein Sohn hätten von 5. auf 6. Oktober in Fulpmes „im einzi-
gen Gasthause das es da giebt“ übernachtet, im Gasthaus des wenige Monate zuvor
gestorbenen Johann Lutz, das seit dem Tod des Wirtes von dessen Witwe Theresia
Rott alleine geführt wurde.191 Angesichts der baulichen Voraussetzungen des „Gran-
derhauses“, in dem die Gastwirtschaft untergebracht war, die zu diesem Zeitpunkt
fünfköpfige Familie Pfurtscheller mit Dienstboten192 lebte, und in der auch noch
die Krämereiwarenhandlung untergebracht war, wäre wohl auch bereits 1814 nur
188 Auch der ebenfalls in diesem Inventar angeführte „Saal“ – ausgestattet mit drei Tischen, zwei Bänken
und drei Kupferstichen als Dekoration – könnte ebenfalls den Gästen des Schankgewerbes offen ge-
standen haben. (Vgl. Vermögensaufteilung Franz Volderauer – Michael Pfurtscheller, 8. April 1811,
TLA, VB Stubai, 34/244, Registerteil 3, Bl. 39–55, Beil. 3.)
189 Unter der Annahme, dass hier die in Bozen gebräuchliche Yhre gemeint war, entspräche das rund
1326 Litern. Es waren verschiedene Yhrenmaße gebräuchlich. Diese entsprachen je nach Region
zwischen rund 78 und rund 134 Litern. Am weitesten verbreitet war jedoch wohl die Bozner „Wein-
Yhre“ zu rund 78 Litern. (Vgl. Rottleuthner, Gewichte und Maße, 1985, S. 46–53.)
190 Vgl. Vermögensaufteilung Franz Volderauer – Michael Pfurtscheller, 8. April 1811, TLA, VB Stubai,
34/244, Registerteil 3, Bl. 39–55, Beil. 3. – Ein zur besseren Einschätzung der regionalen Bedeutung
des Pfurtscheller’schen Schankgewerbes nötiger Vergleich mit den anderen Wirtshäusern der Region
würde den Rahmen dieser Untersuchung sprengen und muss an dieser Stelle daher unterbleiben.
191 Vgl. Andreas Alois Dipauli, „Bemerkungen auf einer kleinen Fußreise in die Umgebungen von Inns-
bruck, im J. 1814. Von Andr. Alois de Pauli, k.k. Appellationsrath.“, TLMF-Bib., Dip. 692/IV, S.
21; sowie: Verlassenschaftsabhandlung Johann Lutz, 23. Dezember 1814, TLA, VB Stubai, 34/248,
Registerteil 2, Bl. 287–307 (inkl. vieler nicht nummerierter Beilagen wie dem Testament des Ver-
storbenen).
192 Einer aus dem November 1806 stammenden Tabelle zur Berechnung der Klassensteuer für die Ge-
meinde Fulpmes zufolge lebten unter dem Dach des Granderhauses zu diesem Zeitpunkt neben Mi-
chael Pfurtscheller, dessen Frau Anna Lener, Halbbruder Franz Volderauer und der Mutter Gertraud
Wiesflecker noch sechs weitere Personen: die Knechte Georg Mayr und Jakob Hofer, „Stallbub“ An-
drä Kapferer, die Mägde Theres Medrazer und Maria Brenner sowie die Köchin Anna Hilber. (Vgl.
Klassensteuertabelle Fulpmes, November 1806, TLA, Aktenserie LG Mieders, Fasz. 26, „Steuer
1664–1807“.) Die am 22. Juni 1806 getaufte Tochter von Anna Lener und Michael Pfurtscheller,
Maria Kreszentia, wurde in der Tabelle nicht berücksichtigt. (Vgl. Taufbuch Fulpmes I u. II, TLA,
Mikrofilm Nr. 0660, Abschn. 3 u. 4.)
Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435