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430 7. Schlussbemerkungen
chen, als das aus wechselnden Perspektiven mit jeweils unterschiedlichen „Hauptpro-
tagonisten“ möglich gewesen wäre. So war Michael Pfurtscheller in der Tiroler Ge-
schichtsschreibung etwa als Anführer von Landesverteidigern 1809 durchaus schon
vor über hundert Jahren ein Begriff, wurde seine Person stets vor diesem Hintergrund
betrachtet. Ihn als überzeugten kaisertreuen Gegner der bayerischen Regierung, als
aufstandsbefürwortenden „Falken“14 zu sehen, lag da nahe. Wie in der Geschichte
Tirols, so stellten die Ereignisse des Jahres 1809 allerdings auch im Leben Michael
Pfurtschellers eine zwar wichtige, aber dennoch sehr kurze Episode dar. Sowohl vor
seiner Rolle als einer der Anführer des Aufstandes gegen die bayerische Regierung
als auch danach wusste sich Pfurtscheller durchaus mit diesen kurzzeitig so massiv
angefeindeten Obrigkeiten zu arrangieren. Andererseits setzten sich wesentliche Un-
stimmigkeiten und Unzufriedenheiten mit deren Maßnahmen unter kaiserlich-ös-
terreichischer Regierung nahezu ungebrochen fort – als Beispiel sei hier nur auf die
Frage der Landgerichtssprengeleinteilung hingewiesen.15
Dadurch, dass der Blick unablässig auf einen Akteur gehaftet bleibt, wird au-
ßerdem dem Eindruck vorgebeugt, zwischen den oben angedeuteten historischen
„Highlights“ habe sich „nichts“ ereignet – wenngleich auch eingeräumt werden muss,
dass aufgrund einer entsprechenden Häufung von Quellen rund um derartige Ereig-
nisse diese auch in der vorliegenden Untersuchung überproportional großen Nieder-
schlag fanden, so etwa der Aufstand des Jahres 1809. Der auf Michael Pfurtscheller
haftende Fokus unterstreicht die Kontinuität von Entwicklungen – der Weg vom
Ende der napoleonischen Kriege ins Revolutionsjahr 1848 etwa muss aus dieser Per-
spektive nicht als „Ausblick“ im Schlusskapitel der historischen Darstellung Ersterer
und nicht als „Vorgeschichte“ zu Letzterem geschrieben werden. Pfurtscheller war
kein Jakobiner im revolutionären Paris, keiner, der auf den Schlachtfeldern der napo-
leonischen Kriege allzu tiefe Spuren hinterließ, er war nicht Eigentümer einer Tex-
tilfabrik in Manchester, nicht Dauergast in den Salons der europäischen Metropolen,
kein liberaler Deutschnationaler in einem der revolutionären Zentren des deutschen
Bundes, er war kein Literat im Dauerclinch mit der österreichischen Zensur, er teilte
sich auch kein winziges Zimmer in einer Arbeitermietskaserne – doch wer war denn
schon „typisch“ in all diesen Hinsichten? Pfurtscheller war Zeuge dieser Zeit des
Umbruchs, dieser von Koselleck gar als „Beginn der ‚Neuzeit‘“ titulierten Periode.16
Die Beobachtung Pfurtschellers lässt – auch im für Vormärz, beginnende Indus-
14 Zur Begrifflichkeit von Aufstandsbefürwortern – „Falken“ – und -gegnern – „Tauben“ – rund um
die Ereignisse in Tirol im Jahr 1809 vgl. Kap. 3.3.4.
15 Vgl. Kap. 3.3.2. u. 4.1.2.
16 Vgl. Koselleck, Einleitung, 1972, S. XV.
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Ein Bürger unter Bauern?
Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Titel
- Ein Bürger unter Bauern?
- Untertitel
- Michael Pfurtscheller und das Stubaital 1750–1850
- Autor
- Michael Span
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20144-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 470
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 9
- 2. Jugend- und Ausbildungsjahre 41
- 3. „Landesverteidiger“ und Schützenkommandant 55
- 3.1. 1797 58
- 3.2. 1799/1800, 1805 77
- 3.3. 1809 88
- 3.3.1. Der europäische Rahmen 88
- 3.3.2. Die bayerische Regierung 89
- 3.3.3. Das Stubaital und die bayerische Regierung 92
- 3.3.4. Michael Pfurtscheller im Vorfeld der Tiroler Erhebung 113
- 3.3.5. Michael Pfurtscheller als Akteur im Erhebungsjahr 122
- 3.3.5.1. Die „Bauern“ erobern Innsbruck 124
- 3.3.5.2. Ausschreitungen und Plünderungen in Innsbruck 133
- 3.3.5.3. Die Kapitulation Bissons 141
- 3.3.5.4. Pfurtscheller und die Organisierung der Landesverteidigung 149
- 3.3.5.5. Unterwegs mit dem Landsturm 154
- 3.3.5.6. Die Kapitulation der Innsbrucker Schutzdeputation und Michael Pfurtscheller 163
- 3.3.5.7. Deputationen nach München und Wien 170
- 3.3.5.8. Die Kämpfe am Bergisel im Mai 172
- 3.3.5.9. „Zwischenkriegszeit“ 180
- 3.3.5.10. Die Kämpfe im August 185
- 3.3.5.11. „Hofers Regiment“ 194
- 3.3.5.12. Fortsetzung des Widerstandes trotz des Friedens von Schönbrunn 201
- 3.3.5.13. Die Pazifizierung des Stubaitales 217
- 3.3.5.14. Exkurs: Das Stubaital als Rückzugsraum für Flüchtlinge 223
- 3.3.6. Der Aufstand im Innkreis 1813 und die Zurückhaltung der Stubaier 225
- 3.4. Erbhuldigung 1838 236
- 3.5. 1848 251
- 4. Michael Pfurtschellers Stellung in Dorf und Tal 287
- 5. Familie Pfurtscheller 315
- 6. Michael Pfurtscheller und die Stubaier Wirtschaft 359
- 6.1. Wirtschaftliche Grundvoraussetzungen des Stubaitales 359
- 6.2. Zahlen und Daten zur Stubaier Wirtschaft 363
- 6.3. Michael Pfurtscheller als Handelsmann 383
- 6.4. Michael Pfurtscheller als Wirt 410
- 6.5. Pfurtschellers Krämerei 422
- 7. Schlussbemerkungen 425
- 8. Anhang 435