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38 K.(u.)k. »going postcolonial«
rellen Wende« einen entscheidenden Schub versetzt, kritisiert ausführlich die
in den Achtzigerjahren weiterhin vorherrschende linguistische Ausrichtung und
heißt die kulturelle Orientierung der VertreterInnen einer funktional ausgerich
teten Translationswissenschaft willkommen (Snell Hornby 1990 : 81f.). Für die
Translationswissenschaft bewirkte die »kulturelle Wende« – ganz im Sinne Snell
Hornbys – eine entscheidende Erweiterung des Beobachtungsrahmens und die
Erarbeitung von Fragestellungen, die zunehmend den Makro Kontext des For
schungsgegenstandes des Translats in den Vordergrund treten lassen. Wurden in
einem ersten Schritt kulturelle »Transferprobleme« noch hauptsächlich als kul
turspezifische Einzel«probleme« abgehandelt, das heißt, dass vorrangig lexikali
sche Übersetzungsfragen unter kulturellen Perspektiven diskutiert wurden (vgl.
etwa Bödeker/Freese 1987), so wurde diese Dimension bald auf umfassendere
Fragestellungen ausgeweitet : Auf die Textebene bezogen wird hinterfragt, wie
sich einzelne Weltbilder und differente Praktiken (z. B. Konfliktkulturen, Zeit
muster etc.) übertragen lassen können, während auf der Makroebene Fragen for
muliert werden, die die Verarbeitungsstrategien von Texten betreffen und damit
Problemkreise wie die Repräsentation von Kultur oder Fremdwahrnehmungs
muster aufwerfen und damit den Konstruktcharakter von Übersetzung in das
Zentrum rücken (vgl. etwa stellvertretend für weitere Literatur Niranjana 1992).
Von der Erfassung der kulturellen Dimension im Übersetzungsprozess bis
zur Erschließung der Machtverhältnisse, die diesen Prozess bedingen, war der
Weg nicht weit. Gerade die Asymmetrien von Übersetzungsvorgängen können
von einer postkolonial ausgerichteten Kulturtheorie, wie sie dem hier zu konzi
pierenden Übersetzungsbegriff zugrunde liegt, schlüssig erarbeitet werden. Be
deutende Vorarbeit wurde in dieser Hinsicht durch das sogenannte »rewriting«
Konzept von André Lefevere geleistet. Lefevere, einer der Mitbegründer der
Manipulation School, setzt den im Rahmen verschiedener Kongresse erarbeiteten
Ansatz der Manipulationsbetontheit jeglicher translatorischer Handlung kon
sequent fort und prägt mit dem Begriff des »rewriting« eine Praxis, die sowohl
die manipulativen Eingriffe auf der Textebene meint als auch – und vor allem –
die kulturellen (literarischen) Mittel, die im Zusammenspiel mit gesellschaftli
chen Kräften den Produktionsvorgang steuern und kontrollieren.11 Gerade diese
11 Das von der Manipulation School ausgehende Konzept der jedwede Übersetzung bedingenden
»Manipulation« setzt freilich voraus, dass es grundsätzlich eine dem Text inhärente »Realität« gibt,
die der/die ÜbersetzerIn bewusst oder unbewusst »manipuliert«. Erst durch poststrukturalistische
Vorstellungen werden diese »inhärenten Realitäten« dekonstruiert und originale Bedeutungen in
frage gestellt.
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437