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Geschichte
Vor 1918
Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
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92 Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie Ammen78, Pferdeknechte u.a.m. Die meisten von ihnen kamen im Zuge der vor allem in den Sechzigerjahren des 19. Jahrhunderts einsetzenden Migration in die großen Städte, angelockt von der Hoffnung auf wirtschaftlichen Erfolg oder zumindest höheren Verdienst. So befand sich etwa im Jahr 1890 die Hälfte der BewohnerInnen Böhmens nicht mehr in ihrem Geburtsort. Wien als Residenz­ hauptstadt war naturgemäß, jedoch auch gemeinsam mit anderen Großstädten wie Prag, hauptsächlicher Zielpunkt der Wanderbewegungen. Wien wuchs zwi­ schen 1880 und 1900 um 130,8 %, während die Wachstumsrate noch 20 Jahre davor lediglich 35,5 % betragen hatte (Glettler 1972 : 25f.).79 Die vor allem aus den tschechischen Gebieten Böhmens und Mährens einwandernden Frauen und Männer nahmen allesamt niedrige Sozialpositionen ein und prägten das Alltagsleben der Städte, in denen sie wirkten, in entscheidendem Maße, wie aus den folgenden plastischen Schilderungen hervorgeht : Damit der Wiener sein verträumtes, unpünktliches, an kleinen Freuden und Ge­ nüssen so reiches Leben führen könne, arbeitet unauffällig und still eine Präzisi­ onsmaschine, deren rastlose und fleißige Arme die Tschechen sind. Sie sind unsere Schneider und machen unsere schönsten Kleider ; sie sind unsere Schuster und machen unsere schönen Schuhe ; sie geigen und blasen unsere schöne Musik ; sie kochen unser gutes, gesundes Essen ; sie zimmern und polieren unsere schönen Möbel ; sie kutschieren unsere schönen Equipagen […], und die milchstrotzenden Brüste der böhmischen Ammen nähren die Wiener Kinder. (Friedländer 1948, zit. nach John/Lichtblau 1993 : 419) Im Folgenden wird unter den zahlreichen Berufsgruppen zunächst speziell auf den Bereich der (nicht in den deutschsprachigen Gebieten geborenen) städtischen 78 Ammen aus der mährischen Hannakei und aus Iglau waren aufgrund ihrer Milchqualität beson­ ders gefragt : »[In Iglau] sind sie der Reihe nach gestanden, und der Hausarzt ist hingegangen und soll die Brust der Amme so (prüfende Handbewegung) gedrückt haben. Da ist dann der Strahl herausgekommen, und wenn er dick und weit gewesen ist, dann war das eine gute Amme« (Mer­ tinz, geb.1901, zit. nach John/Lichtblau 1993 : 28). Die meisten der Ammen siedelten sich jedoch nicht in den Städten an, sondern kehrten mit ihren Ersparnissen wieder in ihre Heimatdörfer zurück. 79 Es ist jedoch auch anzumerken, dass die Fluktuation an MigrantInnen sehr hoch war. Glettler merkt dazu treffend an, das Wiener Tschechentum ähnelte einem »Hotel, das zwar stets besetzt war, aber immer wieder von anderen Leuten« (Glettler 1972 : 41). Auch Hubbard (1984) berech­ nete für Graz im Detail nicht nur Zu­ , sondern auch Abwanderungsraten für den Zeitraum 1850– 1914. Zur Frage des Heimatrechts in der Habsburgermonarchie vgl. Reiter­ Zatloukal (2009).
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Die vielsprachige Seele Kakaniens Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Untertitel
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Autor
Michaela Wolf
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2012
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78829-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
442
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Dankesworte 11
  2. Einleitung 13
  3. Erstes Kapitel
    1. Zur soziologischen Verortung von Translation 19
      1. 1. Wissenschaft und Gesellschaft im Kontext von Translation 19
      2. 2. Translationswissenschaft : »going social« ? 22
  4. Zweites Kapitel
    1. K.(u.)k. »going postcolonial« 25
      1. 1. Die Verortung der »habsburgischen Kultur« 25
      2. 2. Der »cultural turn« und seine Folgen 35
      3. 3. Übersetzung als Beitrag zur Konstruktion von Kulturen 40
      4. 4. Das Konzept der »kulturellen Übersetzung« 45
      5. 5. Der Versuch einer Übersetzungstypologie 54
    2. »Polykulturelle Kommunikation und Translation« 54
    3. »Transkulturelle Translation« 58
  5. Drittes Kapitel
    1. Das habsburgische Babylon 62
      1. 1. Die kakanische Variante der Multikulturalismus­ Debatte 62
      2. 2. Zählt der Staat Häupter oder Zungen ? 67
      3. 3. Sprachpolitik zur »Annäherung der Volksstämme« 73
      4. 4. Die »Vielsprecherei« auf dem Buchmarkt 77
  6. Viertes Kapitel
    1. Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
      1. 1. »Polykulturelle Kommunikation« 87
    2. »Habitualisiertes Übersetzen« 90
    3. »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
      1. 2. »Polykulturelle Translation« 119
    4. Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
    5. Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
    6. Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
    7. Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
    8. Kriegsministerium 165
      1. 3. Die Ausbildung von Dragomanen 179
      2. 4. Der kulturkonstruierende Beitrag der Translationspraxis 188
  7. Fünftes Kapitel
    1. Theoretischer Aufriss eines habsburgischen »Übersetzungsraumes« 194
  8. Sechstes Kapitel
    1. »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
      1. 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
      2. 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
    2. Positionierungskämpfen 208
  9. Siebtes Kapitel
    1. Der »Nutzen fürs geistige Leben« : Übersetzungspolitik in der Habsburgermonarchie 216
      1. 1. Regelnde Faktoren einer Übersetzungspolitik 217
    2. Zensur 218
    3. Urheberrechtsfrage 220
    4. Konzessionspflicht 221
      1. 2. Staatliche Kultur­ und Literaturförderung 222
      2. 3. Literaturpreise 225
  10. Achtes Kapitel
    1. »Übersetzen am laufenden Band«. Eine Übersetzungsstatistik 236
      1. 1. Einzeldaten der Übersetzungsbibliografien 240
    2. »Polykulturelle Translation« 240
    3. »Transkulturelle Translation« 243
      1. 2. Gesamtauswertungen 246
      2. 3. Übersetzen zwischen Sucht und Entwöhnung 257
  11. Neuntes Kapitel
    1. Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen 263
      1. 1. Österreichisch­ italienische Wahrnehmungen 266
      2. 2. Italienische Übersetzungen im deutschsprachigen Raum 281
      3. 3. Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 298
    2. Soziale Felder und ihre Funktionsregeln 299
    3. Die Dynamisierung der bourdieuschen Felder 303
    4. Paratexte – das »Beiwerk des Buches« 308
    5. Der habsburgische Vermittlungsraum 336
  12. 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
    1. Vermittlungsraumes« 359
  13. Zehntes Kapitel
    1. Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
    2. Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
    3. Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
    4. Tabellen 392
    5. Grafiken 393
    6. Abkürzungen 393
    7. Literaturverzeichnis 394
    8. Quellen 394
    9. Sekundärliteratur 396
    10. Sachregister 434
    11. Personenregister 437
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