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»Polykulturelle Kommunikation« 93
DienstbotInnen Bezug genommen,80 nicht nur weil diese unter den genannten
Berufen die größte Gruppe einnahmen, sondern weil sie durch den von ihnen
vielfach abverlangten Rund um die Uhr
Tagesplan der Tätigkeit des »habitua
lisierten Übersetzens« besonders intensiv ausgesetzt waren bzw. diese in hohem
Ausmaß prägten. Anschließend wird auch die Rolle der Handwerker im Rah
men des »habitualisierten Übersetzens« einer kurzen Analyse unterzogen und das
»Tauschkindersystem« im Kontext seiner kulturmittlerischen Funktion aufgezeigt.
DienstbotInnen
Hausangestellte waren ein wichtiger Faktor im innerfamilialen Beziehungsgeflecht ;
sie lebten – in reicheren Bürgerhäusern gemeinsam mit Köchin, Stubenmädchen,
Wäscherin, Stiefelputzer etc. – immer in Hausgemeinschaft mit der »Herrschaft«
und lernten nicht zuletzt durch ihre permanente Anwesenheit im Detail die Sitten
und gesellschaftlichen Maßstäbe ihrer Vorgesetzten kennen, die ihrerseits, zumin
dest bis zu einem gewissen Grad, mit der Lebenswelt der Dienstboten in Berüh
rung traten (vgl. Engelsing 1978 : 183f.) ; die diesbezüglichen Wechselwirkungen
liefen nicht nur über verbale, sondern auch symbolische Übersetzungsprozesse ab,
die im Rahmen der hierarchischen Beziehungen zwischen den involvierten gesell
schaftlichen Gruppierungen tendenziell von oben nach unten und daraus resultie
rend in dementsprechenden Machtverhältnissen verliefen.81
Der Aufschwung des DienstbotInnenwesens war zum Großteil auf den Auf
stieg des Bürgertums zurückzuführen, im Zuge dessen es unter anderem zu
einer Wandlung der Funktion des Haushalts kam, die eine Verschiebung von
einer Produktionseinheit zur Konsumtionseinheit implizierte (Harrasser 1996 :
30). In Wien wurde der häusliche Dienst fast ausschließlich von Frauen aus
geübt : 1890 gab es laut Volkszählung 424.387 Dienstmädchen in der Habs
burgermonarchie, von denen ein Drittel, 32,3 %, jünger als 20 Jahre war ; die
Volkszählung von 1910 wies ähnliche Zahlen auf. Die meisten Hausgehilfinnen
waren nicht in Wien geboren : Im Jahre 1880 z. B. waren nur 7,3 % der in Wien
lebenden weiblichen Dienstboten gebürtige Wienerinnen ; etwas mehr als 20
80 Ländliche DienstbotInnen kamen zumeist aus dem direkten Umland und waren in der Mehrzahl
der Fälle keinen expliziten – zumindest sprachlichen – Kommunikationsproblemen ausgesetzt ;
vgl. Ausnahmen dazu auch unten.
81 Vgl. dazu auch Csáky/Feichtinger/Karoshi/Munz (2006 : 4), die betonen, dass die Assimilation von
seiten der ZuzüglerInnen eine kontinuierliche Delegitimierung von traditionellen Bindungen »oder
zumindest das Wechseln zwischen unterschiedlichen kulturellen Ordnungsmustern« erforderte.
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437