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Geschichte
Vor 1918
Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
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»Polykulturelle Translation« 121 che bezeichnet wurde – in zahlreichen Einsatzbereichen. Den Übersetzern und Dolmetschern kam in den zunehmenden Nationalitätskonflikten des Vielvöl­ kerstaates zuweilen eine bedeutendere Rolle zu, als die Behörden erkennen wollten. Eines dieser Konfliktfelder war Galizien, wo aufgrund des Sprachen­ streits und der mangelnden Durchführung der sprachrelevanten Verordnung von 1869, nach der alle Beamten Polnischkenntnisse besitzen mussten, von der nationalistischen Presse die Anregung ausgesprochen wurde, dass die Ministe­ rialkanzleien in Wien schleunigst Translatoren aufnehmen sollten, damit alle (nicht vorschriftsmäßig in Galizien bereits übersetzten) Akten in Wien auch tatsächlich behandelt werden könnten (Megner 1985 : 280). Daraus ist ersicht­ lich, mit welcher Dringlichkeit die translatorische Tätigkeit von den betreffen­ den Parteien (wenn auch über die Presse kolportiert) eingeschätzt wurde. Im Bereich der autonomen Verwaltung, also vor allem auf Kommunalebene, waren sprachrechtliche Regelungen von großer Bedeutung, da der Parteienverkehr dort besonders dicht war. Andererseits bestand durch Beschlüsse, die auf Ge­ meindeebene in eine bestimmte Richtung getroffen wurden, die – je nach dem – »Gefahr« oder »Chance«, einen Schneeballeffekt zu erzeugen. So bestimmte ein Gemeinderatsbeschluss in Prag im Jahre 1894, dass fortan die Namen von Straßen, Gassen und Plätzen nur mehr in tschechischer Sprache aufzuscheinen hatten und dass es sich dabei zusätzlich um »Eigennamen« handelte, das heißt, dass diese unübersetzt auch in anderen Sprachen zu verwenden seien. Der Be­ schluss wurde letztendlich vom Reichsgericht mit dem Argument abgelehnt, dass eine Straßenbezeichnung eine Betätigung des öffentlichen Lebens sei und damit eine Verletzung des Artikels 19 vorliege (Stourzh 1980 : 1070f.).119 Die Frage, in welcher Sprache eine Eingabe bei einer Behörde vorzulegen sei, stellt einen umfassenden Problemkomplex dar. In den Akten des Innen­ ministeriums sind zahlreiche solcher Streitfälle dokumentiert. Im Rahmen der Durchführung von Artikel 19 war die Behandlung dieser Frage in erster Linie davon abhängig, welche Sprache(n) in der jeweiligen Gemeinde oder in dem jeweiligen Bezirk als landesüblich galt(en). So beschäftigte ein Fall in Klagen­ furt, wo die Stadtgemeinde dem »Katholisch­ politischen landwirtschaftlichen Verein für Slovenen in Kärnten« eine in slowenischer Sprache abgefasste Ein­ gabe ohne deutsche Übersetzung verweigerte, die Behörden über insgesamt drei Jahre (1890–1892), füllte unzählige Seiten behördlicher Akten und löste harte politische Auseinandersetzungen aus. Das Argument der Gemeinde lau­ 119 Zur gesetzlichen Regelung des Sprachgebrauchs im öffentlichen Raum vgl. vor allem im Kontext von Orts­ und Straßentafeln Hugelmann (1934 : 176, 236f., 379, 627f.).
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Die vielsprachige Seele Kakaniens Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Untertitel
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Autor
Michaela Wolf
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2012
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78829-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
442
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Dankesworte 11
  2. Einleitung 13
  3. Erstes Kapitel
    1. Zur soziologischen Verortung von Translation 19
      1. 1. Wissenschaft und Gesellschaft im Kontext von Translation 19
      2. 2. Translationswissenschaft : »going social« ? 22
  4. Zweites Kapitel
    1. K.(u.)k. »going postcolonial« 25
      1. 1. Die Verortung der »habsburgischen Kultur« 25
      2. 2. Der »cultural turn« und seine Folgen 35
      3. 3. Übersetzung als Beitrag zur Konstruktion von Kulturen 40
      4. 4. Das Konzept der »kulturellen Übersetzung« 45
      5. 5. Der Versuch einer Übersetzungstypologie 54
    2. »Polykulturelle Kommunikation und Translation« 54
    3. »Transkulturelle Translation« 58
  5. Drittes Kapitel
    1. Das habsburgische Babylon 62
      1. 1. Die kakanische Variante der Multikulturalismus­ Debatte 62
      2. 2. Zählt der Staat Häupter oder Zungen ? 67
      3. 3. Sprachpolitik zur »Annäherung der Volksstämme« 73
      4. 4. Die »Vielsprecherei« auf dem Buchmarkt 77
  6. Viertes Kapitel
    1. Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
      1. 1. »Polykulturelle Kommunikation« 87
    2. »Habitualisiertes Übersetzen« 90
    3. »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
      1. 2. »Polykulturelle Translation« 119
    4. Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
    5. Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
    6. Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
    7. Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
    8. Kriegsministerium 165
      1. 3. Die Ausbildung von Dragomanen 179
      2. 4. Der kulturkonstruierende Beitrag der Translationspraxis 188
  7. Fünftes Kapitel
    1. Theoretischer Aufriss eines habsburgischen »Übersetzungsraumes« 194
  8. Sechstes Kapitel
    1. »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
      1. 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
      2. 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
    2. Positionierungskämpfen 208
  9. Siebtes Kapitel
    1. Der »Nutzen fürs geistige Leben« : Übersetzungspolitik in der Habsburgermonarchie 216
      1. 1. Regelnde Faktoren einer Übersetzungspolitik 217
    2. Zensur 218
    3. Urheberrechtsfrage 220
    4. Konzessionspflicht 221
      1. 2. Staatliche Kultur­ und Literaturförderung 222
      2. 3. Literaturpreise 225
  10. Achtes Kapitel
    1. »Übersetzen am laufenden Band«. Eine Übersetzungsstatistik 236
      1. 1. Einzeldaten der Übersetzungsbibliografien 240
    2. »Polykulturelle Translation« 240
    3. »Transkulturelle Translation« 243
      1. 2. Gesamtauswertungen 246
      2. 3. Übersetzen zwischen Sucht und Entwöhnung 257
  11. Neuntes Kapitel
    1. Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen 263
      1. 1. Österreichisch­ italienische Wahrnehmungen 266
      2. 2. Italienische Übersetzungen im deutschsprachigen Raum 281
      3. 3. Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 298
    2. Soziale Felder und ihre Funktionsregeln 299
    3. Die Dynamisierung der bourdieuschen Felder 303
    4. Paratexte – das »Beiwerk des Buches« 308
    5. Der habsburgische Vermittlungsraum 336
  12. 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
    1. Vermittlungsraumes« 359
  13. Zehntes Kapitel
    1. Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
    2. Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
    3. Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
    4. Tabellen 392
    5. Grafiken 393
    6. Abkürzungen 393
    7. Literaturverzeichnis 394
    8. Quellen 394
    9. Sekundärliteratur 396
    10. Sachregister 434
    11. Personenregister 437
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