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»Polykulturelle Translation« 129
Zweitens. Bei den Landrechten oder bei den Collegialgerichten erster Instanz
der Hauptstädte der Provinzen oder Gouvernements, und nöthigenfalls auch bei
den Collegialgerichten anderer größerer Städte soll zu den Uebersetzungen aus
denjenigen fremden Sprachen, worin häufiger Urkunden ausgestellt werden, die
erforderliche Anzahl von Dollmetschen, in soferne es nicht schon geschehen ist,
für beständig eidlich verpflichtet werden. (Hofdekret vom 22. Dezember 1835, zit.
nach Bernardini 1996 : 20)
Bernardini misst diesem Hofdekret insofern keine große Bedeutung zu, als es
lediglich eine schon länger geübte Rechtspraxis erstmals in Form einer allge
mein gültigen Rechtsnorm festschrieb. Diese Bestimmungen änderten sich in
den Jahrzehnten bis zum Ende der Monarchie nicht grundlegend, wurden je
doch immer wieder präzisiert. So legte eine Verordnung aus dem Jahr 1852
fest, dass »die Legalisirungen, Bestätigungen des Datums oder der Richtigkeit
einer Uebersetzung […] dem Stämpel [unterliegen] (RGBl. 86/1852). Die Be
stellung von beeideten Dolmetschern für Gerichtsverhandlungen wurde auch
in der Strafprozessordnung von 1853 nochmals festgeschrieben ; betont wurde
ausdrücklich, dass »jede Frage und Antwort sowohl in der Sprache, in welcher
der Zeuge vernommen wird, als auch in der Uebersetzung in die Gerichtsspra
che zu Protokoll gebracht werden [muss]« (RGBl. 151/1853). Auch der Zusatz
»[d]er Dolmetscher kann auch selbst als Protokollführer verwendet werden«
(ibid.) erscheint diesbezüglich von Relevanz.
Über die Qualifikationen der gerichtlich beeideten Dolmetscher und Über
setzer ist nicht allzu viel bekannt. Die diesbezüglichen Vorgaben im genannten
Hofdekret von 1835 sind sehr allgemein gehalten :
Jedes Appellationsgericht wird nach Vernehmung der ihm untergeordneten Land
rechte und größeren Collegialgerichte die Anzahl dieser Dollmetsche festsetzen,
dieselben von den Gerichten der ersten Instanz, bei denen sie verpflichtet werden
sollen, in Vorschlag bringen lassen, und über die Kenntnisse und das sittliche Wohlver-
halten der Vorgeschlagenen auf alle Art Ueberzeugung zu erlangen suchen. (Hofdekret
vom 22. Dezember 1835, zit. nach Bernardini 1996 : 20, Hervorh.v.mir)
Per Verordnung des Ministers für Cultus und Unterricht vom 27. Dezember
1849 zu »Prüfungen aus den lebenden Sprachen« (RGBl. 15/1850) wurde eine
für jedermann zugängliche »Dekanatsprüfung« eingeführt, die von jedem vom
Staate bestellten Lehrer lebender Sprachen abgenommen werden musste und in
Anwesenheit des Dekans der philosophischen Fakultät zu erfolgen hatte. Die
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437