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»Polykulturelle Translation« 147
ten Mitglieder der Kommission gingen von der Vorstellung eines slawischen
Volkes aus, was als einer der Gründe für die nur teilweise Realisierung des am
bitionierten Terminologie Projekts gelten kann. Das Justizministerium hatte es
wohlweislich vermieden, in der umstrittenen Sprachenfrage Stellung zu bezie
hen, und überließ diesbezügliche Entscheidungen den Kommissionsmitglie
dern. Die Entscheidung, keine kumulative »Collectiv Ausgabe« zu produzieren,
sondern Separatausgaben »einzelner Dialecte«, kann als Kompromissvorschlag
der Kommission interpretiert werden.
Getagt wurde von Anfang August bis Ende November 1849 in den Räum
lichkeiten der ehemaligen Siebenbürgischen Hofkanzlei,142 dem Sitz des Über
setzungsbureaus des Reichsgesetzblattes ; an den Vormittagen wurde in den
einzelnen Sektionen gearbeitet, die Nachmittage waren den Beratungen in der
Gesamtkommission vorbehalten (Slapnicka 1974 : 445f.). Eine detaillierte Ge
schäftsordnung regelte den Ablauf der Besprechungen : Nach der erwähnten
Gliederung der Kommission in fünf Sektionen und der Bildung eines Vorbe
reitungskomitees sollte der Arbeitsablauf dahingehend geregelt werden, dass
nach der vormittäglichen Übersetzungsarbeit in den einzelnen Sektionen die
Beratungen am Nachmittag den Zweck hatten, die getätigten Übersetzungsvor
schläge zu diskutieren, wobei es zwar jedem Sektionsmitglied freistand, Kom
mentare über die jeweiligen Vorschläge abzugeben, die »definitive Annahme
oder Verwerfung eines Ausdrucks für eine bestimmte Mundart« blieb jedoch
den Mitgliedern der betreffenden Sektion überlassen, während die übrigen
Kommissionsmitglieder nur über ein »informirendes Votum« verfügten (Šafařík
1850 : V).
Methodisch ging die Kommission nach Festlegung in der Geschäftsord
nung derart vor, dass die Sektionen angehalten wurden, »die aus den Geset
zen ausgezogenen Wörter nicht abstract aufzufassen und aufs Gerathewohl
zu übersetzen, sondern allemal ihren Gebrauch in dem betreffenden Gesetze
selbst, als der reinsten und verläßlichsten Quelle, und zwar in allen wichtigen
Stellen, nachzusehen, um […] dem durch sie bezeichneten Begriffe so nahe als
möglich zu kommen« (ibid.). Der auf diese Weise im Zuge der Erarbeitung
juristischer Begriffe entstandene reichhaltige Thesaurus sollte, so hoffte man,
die praktische Brauchbarkeit des terminologischen Wörterbuchs bedeutend er
höhen. Die Textauswahl fiel zunächst – in Vollziehung des Patents vom 4. März
1849 – auf die seit dem Amtsantritt Kaiser Franz Josefs erlassenen Gesetze
sowie ältere, bedeutende Gesetze. Auf diese Weise wurden innerhalb von drei
142 Heute : Ungarische Botschaft, Bankgasse, Wien.
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437