Seite - 154 - in Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
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154 Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie
ton 14, Zl. 6131.339/860). Dazu wurden »zur Erzielung eines gemeinsamen
Vorganges bei den Zentralstellen« Formulare entworfen, die die Kundmachung
in deutscher Sprache bzw. in den jeweiligen Übersetzungen in den einzelnen
Reichsteilen regeln sollte. Wie dem genannten Circulandum zu entnehmen ist,
war der Amtsweg, den diese Formulare zu durchlaufen hatten, beachtlich ; auch
entsprach der Aufwand, der durch die erforderlich gewordene Bedarfserhe
bung an Reichsgesetzblättern in den einzelnen Kronländern getätigt wurde (vgl.
ibid.),151 durchaus dem klischeehaft empfundenen Bürokratismus des monar
chischen Verwaltungsapparats.
Eine interministerielle Konferenz im März 1861 stellte den Grundsatz wie
der her, wonach alle im Reichsgesetzblatt erscheinenden Gesetze und Verord
nungen in jenen Ländern, in denen sie Wirksamkeit hatten, in sämtlichen lan
desüblichen Sprachen dieser Länder kundgemacht werden sollten. Damit war
zwar das Problem der Textauswahl gelöst, nicht aber die Personalfrage. Vor al
lem vonseiten hoher Beamter im Justizministerium wurde weiterhin darauf hin
gewiesen, dass die Übersetzungen zentral in Wien besorgt werden sollten, da es
durch die Auslagerung der translatorischen Arbeiten in »Kronländern derselben
Zunge« zu einer Verschiedenheit in der Diktion komme und damit die Herstel
lung allgemein verbindlicher Gesetzestexte in Gefahr sei.
Im Mai 1863 wechselte das Redaktionsbureau aus organisatorischen Gründen
vom Justiz zum Staatsministerium. Im Laufe seines dortigen vierjährigen Ver
bleibs kam es zu keinen gravierenden Änderungen, jedoch wurde wiederum die
Diskussion um die Zentralisierung der Übersetzungsarbeiten virulent ; neu war
die diesbezügliche Forderung nach »dauernd angestellten Fachmännern«. Übri
gens zeigte sich, dass durch die »Auslagerung« der Übersetzungsarbeiten keine
bedeutenden Einsparungen erzielt werden konnten : Die vier im Büro verbliebenen
Redakteure verdienten 1867 im Durchschnitt 1.150 Gulden pro Jahr, für vier ex
terne Translatoren wurden 4.800 Gulden an Honoraren bezahlt. Die Redakteure
des Redaktionsbureaus erhielten allerdings noch ein Quartiergeld von je 210 Gul
den. Der Zusammenschluss der Ressorts Presseleitung, Direktorium der Wiener
Zeitung und Redaktionsbureau führte schließlich zur kurzzeitigen Überleitung
dieser Organisationseinheit ins Ministerpräsidium (1867–1868) ; bereits 1868
übersiedelte das Redaktionsbureau in das Ministerium des Innern. Damit ging der
interimistische Zustand, in dem sich das Büro seit 1860 befunden hatte, zu Ende.
151 Die »Nachweisungen« über den Bedarf an Reichsgesetzblättern für die Zentralstellen und die
Behörden in den einzelnen Ländern sind genauest dokumentiert ; vgl. u.a. AVA, II.A.5, Karton
14, Zl. 8073/860.
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437