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164 Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie
lung dieser Fehler oder Ungenauigkeiten an das Redaktionsbureau, manchmal
wurden jedoch die schriftliche Korrektur des betreffenden Gesetzes und seine
nochmalige Ausgabe veranlasst. Auf die Stellung der Redakteure hatten diese
Fehler, wie gehäuft sie auch auftreten mochten, keinerlei Auswirkungen, doch
dürfte wohl ihr Prestige darunter gelitten haben. Offizielle Verfahren in dieser
Angelegenheit sind jedenfalls in den Akten nicht dokumentiert.
Wie die Untersuchung der Befähigungsnachweise von Translatoren für das
Redaktionsbureau des Reichsgesetzblattes zeigt, ist in den Anforderungen für
eine Einstellung als Redakteur von translatorischen Qualifikationen zwar nicht
explizit die Rede, doch können diese über den Umweg der Zulassungsprüfung
zumindest ansatzweise erschlossen werden. Die im Rahmen dieser Prüfung
anzufertigenden Übersetzungen sollten sowohl Aufschluss darüber geben, ob
der Kandidat über die erforderlichen sprachlichen Fähigkeiten verfügt, als auch
seine fachliche Kompetenz als Kenner von Gesetzestexten unter Beweis stellen.
Die Anfertigung von Übersetzungen als Mittel zur Überprüfung von Sprach
kenntnissen ist aus der Unterrichtspraxis des 19. und auch 20. Jahrhunderts gut
bekannt und kann hier als Faktor in der Sondierung der sprachlichen Eignung
des Bewerbers nicht außer Acht gelassen werden. Wie aus den zahlreichen hier
zitierten Akten des Ministeriums des Innern hervorgeht, haben jedoch die lang
jährige Erfahrung der involvierten Beamten und die Anforderungen aus der
Praxis sowie nicht zuletzt die zahlreichen von Redakteuren begangenen Über
setzungsfehler offensichtlich die Erkenntnis mit sich gebracht, dass neben der
sprachlichen und fachlichen auch eine translatorische Kompetenz dringend
erforderlich sei : Dafür spricht zum einen der enorme Aufwand, der mit den
Bewerbern für eine Stelle als Redakteur vor allem hinsichtlich der abzuhalten
den Prüfung betrieben wurde, zum anderen die zu wiederholten Malen ange
sprochenen Zweifel im Qualifikationsnachweis, die in der Frage zum Ausdruck
kommen, ob Juristen oder Philologen geeigneter seien, die Übersetzungsarbeit
im Redaktionsbureau zu übernehmen. Mangels ausgebildeter Translatoren han
delt es sich dabei zwar um eine berechtigte Frage, doch wurde spätestens durch
die hier diskutierten Beschwerden über Mängel in den Übersetzungen klar, dass
auch die langjährige Translationspraxis von Juristen (Luigi Iseppi, absolvierter
Jurist, war zum Zeitpunkt der an ihm geübten Kritik hinsichtlich der Über
setzungsfehler in den Zolltariferläuterungen bereits 20 Jahre im Amt) keine
Gewähr für einwandfreies translatorisches Arbeiten war. Diese Überlegungen
sollen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Auswahlkriterien für
staatliche Translatoren in der Monarchie noch weit von der Einsicht entfernt
waren, dass sprach und kulturmittlerische Fähigkeiten unabdingbare Voraus
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437