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Vor 1918
Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Seite - 166 -
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166 Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie Ausmaßes. Die Aufgaben der Ziffernkanzlei bestanden in der »Manipulation« der aufgefangenen Briefe, der Entzifferung fremder Geheimschriften und dem Aufbau neuer Postlogen außerhalb von Wien. Besondere Sorgfalt wurde der vierzehntägig einlangenden Post aus dem Osmanischen Reich zugewandt, für die eigene Übersetzer zur Verfügung standen. Die Bedeutung, die dieser letzt­ genannten Post beigemessen wurde, stand in Widerspruch zur Bezahlung : Je­ der aufgelöste Ziffern­ Schlüssel wurde dem erfolgreichen Dechiffreur gesondert bezahlt ; diese Ziffer­ Remuneration wurde ausdrücklich als Möglichkeit der Gehaltsergänzung interpretiert. Die Auflösung eines russischen, spanischen, portugiesischen, englischen oder schwedischen Schlüssels brachte die höchste Remuneration, die Dechiffrierung eines osmanischen jedoch die niedrigsten. Die Beamten logierten mit ihren Familien in sogenannten »Naturalwohnungen« in der Hofstallburg,155 wodurch zum einen die auch nächtliche Verfügbarkeit des Personals für dringende Aufträge gewährleistet war, zum anderen wurde dadurch die für diese Tätigkeit absolut erforderliche Verschwiegenheit gefördert. Des Weiteren wurden zur besseren Wahrung der Berufsgeheimnisse vorrangig Ver­ wandte von bereits in Verwendung stehenden Beamten aufgenommen, wodurch sich oft ganze »Dynastien« von Ziffernbeamten bildeten und das »Amtsgeheim­ nis« in ein »Familiengeheimnis« umfunktioniert wurde. An die Beamten wurden sehr hohe Anforderungen gestellt, die sich vor allem auf ihre Sprachkenntnisse bezogen. Bei deren Beurteilung wurden offensichtlich eher quantitative als quali­ tative Kriterien ins Treffen geführt, was an der für jede neu erlernte Sprache extra ausbezahlten Gratifikation von 500 Gulden erkennbar ist. Die im Verhältnis zu anderen Beamten hohe Bezahlung und die zahlreichen Vergünstigungen für die Angestellten der Ziffernkanzlei sollten eine gewisse Kompensation für die ge­ sundheitsschädigende Arbeit darstellen : Mehr als die Hälfte aller Dechiffreure waren vor erreichter Pensionierung halb blind (Hubatschke 1975b : 377ff.). Am 4. April 1848 wurde die Ziffernkanzlei als Folge der Märzrevolution156 aufgelöst, doch bereits ein Jahr später fanden sich die meisten Beamten in der neu gegründeten »Sektion für Chiffrewesen und translatorische Arbeiten« wie­ der, die in das Ministerium des Äußern nicht voll integriert war, sondern ihm in gleicher Weise wie etwa das Haus­ , Hof­ und Staatsarchiv oder das Zahl­ 155 1719 von Fischer von Erlach Vater und Sohn erbaut (heute : Museumsquartier). 156 Im Zuge der Auflehnung gegen das unterdrückerische System von Fürst Metternich kam es am 13. März 1848 in Wien zu Aufständen vonseiten zahlreicher Studenten der Wiener Universität, die im späteren Verlauf durch Arbeiter unterstützt wurden. Die Folge der Aufstände waren zahl­ reiche Tote ; Metternich musste zurücktreten.
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Die vielsprachige Seele Kakaniens Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Untertitel
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Autor
Michaela Wolf
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2012
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78829-4
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
442
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Dankesworte 11
  2. Einleitung 13
  3. Erstes Kapitel
    1. Zur soziologischen Verortung von Translation 19
      1. 1. Wissenschaft und Gesellschaft im Kontext von Translation 19
      2. 2. Translationswissenschaft : »going social« ? 22
  4. Zweites Kapitel
    1. K.(u.)k. »going postcolonial« 25
      1. 1. Die Verortung der »habsburgischen Kultur« 25
      2. 2. Der »cultural turn« und seine Folgen 35
      3. 3. Übersetzung als Beitrag zur Konstruktion von Kulturen 40
      4. 4. Das Konzept der »kulturellen Übersetzung« 45
      5. 5. Der Versuch einer Übersetzungstypologie 54
    2. »Polykulturelle Kommunikation und Translation« 54
    3. »Transkulturelle Translation« 58
  5. Drittes Kapitel
    1. Das habsburgische Babylon 62
      1. 1. Die kakanische Variante der Multikulturalismus­ Debatte 62
      2. 2. Zählt der Staat Häupter oder Zungen ? 67
      3. 3. Sprachpolitik zur »Annäherung der Volksstämme« 73
      4. 4. Die »Vielsprecherei« auf dem Buchmarkt 77
  6. Viertes Kapitel
    1. Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
      1. 1. »Polykulturelle Kommunikation« 87
    2. »Habitualisiertes Übersetzen« 90
    3. »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
      1. 2. »Polykulturelle Translation« 119
    4. Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
    5. Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
    6. Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
    7. Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
    8. Kriegsministerium 165
      1. 3. Die Ausbildung von Dragomanen 179
      2. 4. Der kulturkonstruierende Beitrag der Translationspraxis 188
  7. Fünftes Kapitel
    1. Theoretischer Aufriss eines habsburgischen »Übersetzungsraumes« 194
  8. Sechstes Kapitel
    1. »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
      1. 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
      2. 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
    2. Positionierungskämpfen 208
  9. Siebtes Kapitel
    1. Der »Nutzen fürs geistige Leben« : Übersetzungspolitik in der Habsburgermonarchie 216
      1. 1. Regelnde Faktoren einer Übersetzungspolitik 217
    2. Zensur 218
    3. Urheberrechtsfrage 220
    4. Konzessionspflicht 221
      1. 2. Staatliche Kultur­ und Literaturförderung 222
      2. 3. Literaturpreise 225
  10. Achtes Kapitel
    1. »Übersetzen am laufenden Band«. Eine Übersetzungsstatistik 236
      1. 1. Einzeldaten der Übersetzungsbibliografien 240
    2. »Polykulturelle Translation« 240
    3. »Transkulturelle Translation« 243
      1. 2. Gesamtauswertungen 246
      2. 3. Übersetzen zwischen Sucht und Entwöhnung 257
  11. Neuntes Kapitel
    1. Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen 263
      1. 1. Österreichisch­ italienische Wahrnehmungen 266
      2. 2. Italienische Übersetzungen im deutschsprachigen Raum 281
      3. 3. Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 298
    2. Soziale Felder und ihre Funktionsregeln 299
    3. Die Dynamisierung der bourdieuschen Felder 303
    4. Paratexte – das »Beiwerk des Buches« 308
    5. Der habsburgische Vermittlungsraum 336
  12. 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
    1. Vermittlungsraumes« 359
  13. Zehntes Kapitel
    1. Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
    2. Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
    3. Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
    4. Tabellen 392
    5. Grafiken 393
    6. Abkürzungen 393
    7. Literaturverzeichnis 394
    8. Quellen 394
    9. Sekundärliteratur 396
    10. Sachregister 434
    11. Personenregister 437
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