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198 Theoretischer Aufriss eines habsburgischen »Übersetzungsraumes«
von ihnen übersetzten Diskurse nicht als Übermittlung wertneutraler Informa
tionen angesehen werden können, sondern dass sie unweigerlich »Zeichen des
Reichtums« und »Zeichen der Autorität« (ibid.: 45) sind, denen nach bestehen
den Marktgesetzen geglaubt und gehorcht werden soll. Das für die Überset
zung konstitutive Merkmal ihres sowohl konstruierenden als auch konstruierten
Charakters ist daran deutlich erkennbar.
Ebenso von Erkenntnisinteresse für den Translationsprozess ist das soziale
Kapital, die »Gesamtheit der aktuellen und potentiellen Ressourcen, die mit
dem Besitz eines dauerhaften Netzes von mehr oder weniger institutionali
sierten Beziehungen gegenseitigen Kennens und Anerkennens verbunden sind«
(Bourdieu 1997c : 63, Hervorh. i. O.). Die Stärke der Ausprägung des sozialen
Kapitals hängt sowohl von der Dichte der Netzwerkbeziehungen ab, die es be
wirkt, als auch – und im Zusammenhang mit diesen Netzwerken – vom mehr
oder weniger intensiven Zusammenspiel mit anderen Kapitalformen. Auf das
translatorische Geschehen bezogen operiert dieses Kapital vor allem auf zwei
Ebenen : zum einen in den für jeden übersetzerischen Entstehungsprozess kon
stitutiven Vermittlungsnetzen, die nicht zuletzt auch für die Art und Weise der
Beschaffenheit des kulturellen Produkts verantwortlich zeichnen, zum anderen
im engeren Sinn im Kontext translationsrelevanter Institutionen, die ihren Mit
gliedern jene Sozialbeziehungen (ver)schaffen, die früher oder später zu einem
unmittelbaren Nutzen führen.
Zumeist als Kristallisationspunkt der genannten Kapitalarten tritt das sym
bolische Kapital in Erscheinung. Es hat eine kognitive Basis, das heißt, es beruht
auf dem Erkennen und Anerkennen eines Unterscheidungsprinzips : Erst wenn
Unterschiede wahrgenommen werden und ihnen ein bestimmter Wert zuge
schrieben wird, kann dieses Kapital zum Ausdruck kommen (Bourdieu 1998 :
151). Es wird oft über Legitimations oder Konsekrationsmechanismen erwor
ben und manifestiert sich im übersetzerischen Kontext in Übersetzungspreisen,
Übersetzungsstipendien oder auch in der gelungenen Platzierung einer Über
setzung in einem renommierten Verlag.
Insgesamt stellen die sozialen AkteurInnen als KapitalbesitzerInnen jene
Strukturelemente dar, die systematischen Einfluss auf die Praxis nehmen.
Dadurch können innerhalb der verschiedenen »Kraftfelder« um die kapital
stärkeren AkteurInnen Kraft und Machtzentren entstehen, die den Transla
tionsmarkt entscheidend beeinflussen : Mit hoher Kapitalkonzentration aus
gestattete AuftraggeberInnen oder InitiatorInnen von Übersetzungen haben
die Macht in der Hand und investieren in das »Feld«. Dass dies am allerwe
nigsten auf die Person der ÜbersetzerInnen zutrifft, zeigt die Analyse des Ha
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437