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Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von Positionierungskämpfen 215
63). In den hier untersuchten Inseraten sind vor allem die von den Übersetzern
angegebenen Referenzen und das Aufzeigen ihrer Internationalität als Fak
toren sozialen Kapitals zu bezeichnen ; 15 % aller Inserate geben Referenzen
an, was auf den hohen Stellenwert dieser sozialen Kapitalform hinweist. Um
die eigene Kreditwürdigkeit zu erhöhen, greifen die Übersetzer auf vielfache
Methoden zurück und geben »Referenzen und Atteste von k.k. Ministerien,
Behörden und Advokaten« ebenso an wie die »Mitgliedschaft des Allgemeinen
Schriftstellerverbandes« oder die Tätigkeit als »Spezialkorrespondent der Prensa
Española« ; letztere Angabe soll auch auf die Teilnahme in internationalen Netz
werken hinweisen. Wie erwähnt, befindet sich die Ausweisung internationaler
Beziehungen vonseiten der Übersetzer an der Schnittstelle zwischen kulturel
lem und sozialem Kapital. Zu Letzterem können sie deshalb gezählt werden,
da sie als Beziehungsnetz gelten, das nach Bourdieu das »Produkt individueller
oder kollektiver Investitionsstrategien [ist], die bewußt oder unbewußt auf die
Schaffung und Erhaltung von Sozialbeziehungen gerichtet sind, die für irgend
wann einen Nutzen versprechen« (ibid.: 65). Die Häufigkeit der Angabe zur
Internationalität der Übersetzer unterstreicht das damit verbundene Ansinnen
des »Sich einen Namen machen«.
Die Dynamik des privaten Übersetzungssektors ist demnach vorrangig durch
die Interaktion zwischen den einzelnen Kapitalformen im »Feld« bedingt und
unterscheidet sich als solche nicht wesentlich von den heutigen Marktregeln.
Die (ungleiche) Verteilung des Kapitals im Vermittlungsraum macht letztlich
seine Struktur aus und bildet die Grundlage für die spezifischen Wirkungen
der Kapitalien. Dies ist an den verschiedenen Qualifikationslinien, die in den
Inseraten der Übersetzungsbüros und Einzelpersonen verfolgt werden, erkenn
bar : Zum einen signalisiert die verstärkte Nennung von Fachgebieten, in denen
übersetzt wird, die Diversifizierung und Professionalisierung des Sektors ; zum
anderen sind es Sinnzuschreibungen über das symbolische Kapital, die zur Etab
lierung des Sektors beitragen : Zunehmend translationsrelevante Berufsangaben,
Appell an Tradition und Internationalität sowie einschlägige Berufserfahrung
sollen die Positionierung im »Vermittlungsraum« festigen. Die diesbezüglichen
Bemühungen wurden durch eine unternehmensfördernde Gewerbeordnung aus
dem Jahr 1859 zwar unterstützt, doch kann eine Institutionalisierung des Über
setzungssektors aufgrund schwach ausgeprägter Strukturen, die nicht zuletzt
aus der Kurzlebigkeit zahlreicher Übersetzungsbüros sowie aus der beruflichen
Vielgleisigkeit vieler ÜbersetzerInnen resultiert, zu denen sie offenbar weiterhin
gezwungen sind, (noch) nicht Platz greifen.
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437