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Österreichisch-italienische Wahrnehmungen 267
österreichisch italienischer Austauschprozesse gebietet eine selektive Vorgangs
weise, die punktuell auf die für die Darstellung dieser Austauschbeziehungen
relevanten Phänomene verweist. Methodisch wird – jenseits von Imagologie
(Schrattenecker 1995 : 101) oder Stereotypenforschung (Mazza Moneta 2000)
– im Sinne des Hybriditätskonzepts vorgegangen, das heißt, Ausgangspunkt
sind nicht von einander abgegrenzte, »reine«, »nationale« Kulturen (Italien –
Österreich), sondern das Netzwerk jener reziproken Wahrnehmungen, die
bereits seit Jahrhunderten, resultierend aus vielfachen Berührungsmomenten,
einen bestimmten »Kontaminierungsgrad« implizieren. Deshalb sind auch für
den vorliegenden Kontext in der einschlägigen Literatur mehrfach zitierte Un
terscheidungen wie »germanisch/alpin« und »romanisch/mediterran« (vgl. dazu
auch Pichler 2000 : 16) u.ä. nicht haltbar.226
Die vielfachen Vorstellungen, die ItalienerInnen und ÖsterreicherInnen von
einander haben, weisen auf gegenseitige Erfahrungen hin, die Jahrhunderte zu
rückliegen und zur Konstruktion multipler Selbst und Fremdbilder beigetragen
haben. Ohne im Detail auf historische Berührungspunkte im Sinne dynasti
scher, militärischer oder politischer Ereignisse einzugehen, die zu diesen Kon
struktionen geführt haben,227 sei darauf verwiesen, dass die »Erbfeindschaft«
zwischen »Italien und Austria« (Berghold 1997) in krassem Widerspruch steht
zu den »Klischees«, die das »Land, wo die Zitronen blühen« weiterhin – bzw.
durch Urlaubsfreuden wiederbelebt – in euphorisch verzücktem Licht erschei
nen lassen. Es kann behauptet werden, dass Goethe, der »den Deutschen ein
Italienbild erschaffen [hat], um das ihn nicht nur die Natur beneidet« (Tau
ber 1996 : 62), das Italienbild im gesamten deutschsprachigen Raum insofern
226 Wenn deshalb im vorliegenden Kapitel sowie in den folgenden Abschnitten von »(Habsburger
)
Monarchie«, »Österreich« oder »Italien« die Rede ist, dann wird nicht im engeren Sinn von na
tionalen Grenzen ausgegangen, innerhalb derer kulturelle Produkte erzeugt werden und über
die hinweg mit dem jeweils anderen »Land« Austauschbeziehungen stattfinden, sondern diese
Bezeichnungen dienen als Ausgangspunkt zur besseren Darstellung der jeweiligen Transfer und
Austauschverhältnisse.
227 Vgl. zu den historischen Beziehungen vor allem Berghold (1999 : 33ff.), Pichler (2000) sowie
Corsini (1980 : 839ff.). Einige Eckdaten sollen lediglich der Orientierung dienen. So gelangten
durch die Friedensschlüsse von Utrecht (1713) und Rastatt (1714) nach dem Spanischen Erbfol
gekrieg Mailand sowie vorübergehend Neapel und Sardinien in habsburgischen Besitz, Modena
gehörte seit 1814 der österreichischen Linie des Grafen von Este ; Franz I Stephan von Lothrin
gen fiel 1737 das Großherzogtum Toskana zu, 1765 übernahm Maria Theresias Sohn Leopold
die Herrschaft über die Toskana. Nach den napoleonischen Kriegen wurden weite Teile der »al
ten Ordnung« wieder hergestellt, und das Habsburgerreich erhielt durch den Wiener Kongress
die Lombardei, Venetien, Trento, Tirol, Dalmatien und Istrien mit Triest (Pichler 2000 : 23f.).
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437