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272 Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen
der Jahrhunderte wurden zahlreiche italienische Musiker, Kapellmeister oder
persönliche Lehrer der Monarchen an den Hof berufen, und auch österreichi
sche Musiker wurden oftmals zur Ausbildung nach Italien geschickt.
In gleicher Weise blühte das italienische Theater in der Monarchie : Von den
verschiedenen internationalen Theatern, die es in Wien gab, stand das italieni
sche an erster Stelle. Die Aufführungen fanden bis 1848 vorrangig in italieni
scher Sprache statt, und auch die Komponisten, Schauspieler und Sänger, ja sogar
die Tänzer und Tänzerinnen, die Bühnenbildner und Ausstatter kamen zumeist
aus Italien. Nach 1848, im Gefolge der blutigen Unterdrückung der Mailän
der Aufstände gegen das österreichische Regime, wurde die Sprachenfrage auch
in der Oper zu einer nationalen Frage. Nach längeren Auseinandersetzungen
wurde entschieden, dass italienische Opern im Rahmen der italienischen Spiel
zeit (die normalerweise einmal im Jahr auf die Dauer von zwei bis drei Monaten
programmiert war, beginnend mit der Woche nach Ostern) von Italienern und
in italienischer Sprache aufzuführen seien, doch müsse das Hoforchester einge
setzt werden (Ricaldone 1986 : 59–109). Vor allem am Theater sind die politi
schen Implikationen kultureller Produktion deutlich erkennbar. So stellt Josef
Feichtinger in seiner Studie zur Italienischen Dramatik auf dem Burgtheater fest,
dass zwischen 1839 und 1887, mit Ausnahme einer Goldoni Reprise im Jahr
1857, keine Premieren italienischer Stücke am Burgtheater stattfanden. Er führt
dies in einem ersten Schritt auf die Vorlieben der jeweiligen Theaterdirektoren
zurück, von denen vor allem Heinrich Laubes Neigung für das Theater Shake
speares sowie für französische Lustspiele bekannt ist (siehe dazu auch Hüttner
1998 : 162f.), verweist jedoch nachdrücklich auf die politischen Aspekte dieser
»Lücke« : Ein erheblicher Anteil der italienischen Dramatik steht seit Alfieri in
den Diensten der historischen Ereignisse des Risorgimento, für dessen litera
rischen Ausdruck in der Monarchie kaum Interesse bzw. Sympathie bestehen
kann. Erst in den Achtzigerjahren des 19. Jahrhunderts lassen die neuen politi
schen Verhältnisse im Rahmen einer neuerlichen Annäherung zwischen Italien
und Österreich auch wieder italienische Produktionen auf die Bühne des Burg
theaters gelangen (Feichtinger 1964 : 310).
Ein wichtiger Ort, an dem sich viele der hier diskutierten Akteure und Ak
teurinnen, aber vor allem auch »einheimische« WienerInnen trafen, war das
Kaffeehaus, eine Institution, deren verbreitete Existenz ab dem 18. Jahrhundert
auch der Ansiedlung zahlreicher Kaffeesieder aus Norditalien in der Residenz
hauptstadt zu verdanken ist. Eine Neuerung, die italienische Kaffeehausbesitzer
in Wien einführten, war das »Straßencafé« : 1748 erlangte Giovanni Taroni die
Konzession, am Graben in Wien ein Kaffeehaus mit Tisch und Sesseln im Freien
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437