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Österreichisch-italienische Wahrnehmungen 275
lag leichter, bekannte Namen zu verlegen, wie Gluck, Haydn, Mozart, Rossini,
Schubert oder Beethoven. Einer der Mitarbeiter von Artaria, der aus Bellinzona
gebürtige Tranquillo Mollo, gründete Ende des 18. Jahrhunderts einen eigenen
Musikverlag und trat für Jahrzehnte in enge Konkurrenz zu seinem Stammver
lag. Die Kontakte zur italienischen Verlagswelt versuchten beide Verlage auf
rechtzuerhalten (Hall 1985 : 53, Ricaldone 1986 : 132f.).238
Für die Buchbestände aufschlussreich ist eine Analyse der Leihbibliotheken,
deren Bestände relativ gut aufgearbeitet sind. Vor allem Alberto Martino hat
sich um die Bearbeitung der habsburgischen Leihbibliotheken verdient ge
macht. Die Vorläufer der im 19. Jahrhundert blühenden Leihbibliotheken, die
Lesekabinette, hatten bereits den Anspruch – freilich auf bestimmte Kreise der
Gesellschaft beschränkt –, eine sozialintegrative und gesellige Funktion aus
zuüben, was sich auch in der Wahl der Bücher, die sie ihrem Publikum zur
Verfügung stellten, niederschlagen sollte. Insgesamt stellten die Leihbibliothe
ken als Multiplikatoren der Werke, die sie in ihr Repertoire aufnahmen, eine
bedeutende Rolle im literarischen Leben der jeweiligen Zentren dar, standen
aber auch als Begleiterscheinung der etwa seit der Mitte des 18. Jahrhunderts in
Gang gekommenen emanzipatorischen Umwandlung der Gesellschaft für eine
gewisse Demokratisierung der Lektüre. In Wien variierten diese Leseeinrich
tungen von etwa vier Leihbibliotheken im Jahr 1797 bis zu 29 im Jahr 1880239,
womit ein absoluter Höchststand erreicht war. Ab den Achtzigerjahren ging
die Zahl der Leihbibliotheken zugunsten der sukzessive aufkommenden Volks
bibliotheken zurück (Martino 1979 : 120, 141). Die Aufstellung in Tabelle 19
spiegelt die Entwicklung der Zahlen italienischsprachiger Werke in den Leih
bibliotheken Wiens zwischen 1772 und 1905 wider.
238 Auch die Untersuchung der Präsenz italienischsprachiger Periodika in der Monarchie könnte
interessanten Aufschluss geben über den italienisch österreichischen intellektuellen Austausch.
Eine diesbezügliche Bestandsaufnahme solcher Zeitschriften und Zeitungen in den österrei
chischen Bibliotheken, die anschließend mit den tatsächlich in italienischsprachigen Territorien
produzierten Periodika korreliert werden müsste, um aus dem jeweiligen Zahlenverhältnis die
Bedeutung dieser Präsenz ermessen zu können, ist jedoch im Rahmen der vorliegenden Arbeit
nicht zu leisten. Vgl. zu Zeitschriften in Italien im relevanten Zeitraum Bertoni Jovine (1959)
und Dresler (1934).
239 Anfang der Neunzigerjahre des 19. Jahrhunderts konnten die 20 Leihbibliotheken Wiens eine
Million Entlehnungen bei einem Bestand von rund 350.000 Bänden und einem Kundenstamm
von 6.000 AbonnentInnen verzeichnen (Martino 1982 : 316).
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437