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Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 309
faktische, worunter Genette ein Faktum versteht, dessen bloße Existenz, wenn
dieses der Öffentlichkeit bekannt wird, dem Text einen Kommentar hinzufügt
oder seine Rezeption beeinflusst, wie etwa das Alter oder das Geschlecht des
Autors. Eine weitere Unterscheidung macht Genette hinsichtlich der Kommu
nikationsinstanz und unterscheidet den auktorialen Paratext, der vom Autor/
der Autorin verfasst wurde, vom verlegerischen Paratext, dessen UrheberIn der
oder die VerlegerIn des Werks ist bzw. vom allographen Paratext, der von ei
nem/einer Dritten stammt. Der funktionale Charakter des Paratextes bildet ein
weiteres wesentliches Merkmal. Er lässt sich in seinen verschiedenen Facetten
nicht a priori festschreiben, sondern ist je nach Typus des Paratextes und je nach
kommunikativer Situation verschieden ; so ist die Funktion eines allographen
Vorwortes nicht dieselbe wie die eines auktorialen Vorwortes, oder die Trag
weite einer Widmung nicht dieselbe wie diejenige einer Zueignung. Die einzige
Regelmäßigkeit besteht in den hier erkennbaren Beziehungen zwischen Funk
tion und Status des Paratextes, wodurch funktionale Typen ausgemacht werden
können und die Vielfalt der durch die Paratexte vorgenommenen Mitteilungen
in häufig wiederkehrenden Themen gebündelt werden kann (ibid.: 14ff.).
Paratext und Übersetzen
Für die vorliegende Forschungsfrage, worin der Konstruktionscharakter der
Paratexte für die Wahrnehmung »Italiens« durch Übersetzungen besteht, in
teressieren zunächst die Zusammenhänge zwischen paratextuellen Elementen
und Translat. Genette hat das Phänomen der Übersetzung nicht explizit be
handelt. In der translationswissenschaftlichen Literatur werden hinsichtlich
dieses »Versäumnisses« verschiedene Positionen vertreten. So diskutiert Şehnaz
Tahir Gürçağlar zunächst die Möglichkeit, Übersetzung als Paratext anzusehen.
Sie geht dabei von Genettes Bemerkungen im Schlusswort seines Hauptwerks
Paratexte aus, in dem er bedauert, diesen Bereich (ebenso wie Illustrationen und
Vorabdrucke) nicht diskutiert zu haben, umsomehr, »wenn sie [die Überset
zung] vom Autor mehr oder weniger durchgesehen oder kontrolliert wird, […]
und erst recht, wenn sie vollständig von ihm besorgt wird […], so daß hier jede
Übersetzung auf die eine oder andere Weise als Kommentar zum Originaltext
fungieren muß« (Genette 2001 : 386). Tahir Gürçağlar kritisiert mit Recht den
sekundären Charakter, der damit der Übersetzung zugewiesen wird, und betont
die somit postulierte hierarchische Beziehung zwischen Original und Überset
zung. Ein Translat diene vor diesem Hintergrund einzig und allein dem Origi
nal und nicht etwa den ZielleserInnen oder dem literarischen System der Ziel
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437