Seite - 311 - in Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Bild der Seite - 311 -
Text der Seite - 311 -
Die Metamorphosen des »Übersetzungsfeldes« 311
Auf den engeren Kontext der Fußnote als Paratext bezieht sich Jacqueline
Henry, die der Frage nachgeht, wieweit sich die Position des Übersetzers/der
Übersetzerin gegenüber dem Autor/der Autorin bzw. gegenüber den LeserIn
nen verändert, wenn er oder sie durch die Setzung von Fußnoten gleichsam »ins
Rampenlicht« des Textes rückt. Obwohl hier implizit eine Sicht von Überset
zung transportiert wird, die der translatorischen Tätigkeit eine primäre (und
nicht notorisch sekundäre) Rolle zuschreibt, zählt Henry in der Darstellung der
genetteschen Typologisierung die vom Übersetzer/von der Übersetzerin ver
fassten Fußnoten zu den »allographen« Paratexten (Henry 2000 : 229), womit
den TranslatorInnen das »AutorInnenrecht« auf ihre Übersetzung wiederum
abgesprochen wird.
Allen diesen Studien ist gemeinsam, dass sie – zwar in völlig unterschied
lichen Kontexten und unter divergierenden Fragestellungen – Paratexten eine
elementare Funktion nicht nur in der Steuerung der Lesart von Translaten und
demnach deren Rezeption in der Zielkultur zuschreiben, sondern auch – und
damit in engem Zusammenhang stehend – in der Schaffung einer dialogischen
Beziehung zwischen Paratext und Haupttext, die auf die Beschaffenheit des
letzteren wesentlichen Einfluss haben kann.
Paratexte sind in der translationswissenschaftlichen Literatur als Forschungs
gegenstand häufig anzufinden, ohne dass sie notwendigerweise in diesen Fall
studien als solche theoretisiert werden. Viele AutorInnen solcher Studien kon
zentrieren sich auf Vorreden in Texten des 18. Jahrhunderts, wie etwa Helmut
Knufmann, der ÜbersetzerInnen und HerausgeberInnenvorreden aus aufklä
rerischen Texten in deren deutscher Übersetzung untersucht. Für ihn zählen
Vorreden, Anmerkungen etc. zum »nicht immanenten Teil eines übersetzten
Buches«, sind jedoch von enormer Bedeutung, »[k]ommt doch in ihnen, und
nur in ihnen gerade das zur Sprache, worum es uns geht« (Knufmann 1967 :
2697). Ihm geht es um die Frage, inwieweit solche Vorreden Aufschluss ge
ben können über die Formen und Bedingungen, unter denen Übersetzungen in
dieser Zeit entstanden, und unter Anwendung welcher Mittel und Methoden
dies vonstatten ging. Eine ähnliche Fragestellung liegt der Studie von Michel
Grimberg zugrunde, der 137 ÜbersetzerInnen und HerausgeberInnenvorre
den zu deutschen Ausgaben französischer Lustspiele im 18. Jahrhundert ana
(Ouvry
Vial 2004 : 29, zit. nach Sanconie 2007 : 161). Sanconie weist dem Paratext insofern eine
herausragende Bedeutung zu, als sie davon ausgeht, dass ein vom Übersetzer/einer Übersetzerin
verfasstes Vor und Nachwort zu einem »lieu de résolution de la tension entre le texte et son tra
ducteur« wird (Sanconie 2007 : 174).
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437