Seite - 312 - in Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Bild der Seite - 312 -
Text der Seite - 312 -
312 Der Vermittlungsraum italienischer Übersetzungen
lysiert und von der Hauptthese ausgeht, dass in den Vorreden versucht wird,
die Herausgabe und Übersetzung dieser Lustspiele zu rechtfertigen, wozu als
hauptsächliches Argument das hohe Prestige der französischen AutorInnen
als Schriftsteller und oftmals auch als SchauspielerInnen herangezogen wird
(Grimberg 1998 : XXVIII, siehe auch Grimberg 1995). Auf den französischen
Kontext bezogen untersucht Wilhelm Graeber rund 100 französischsprachige
Vorreden aus dem 18. Jahrhundert von Übersetzungen spanischer, italienischer,
englischer und deutscher Texte. Er geht im Speziellen auf die Veränderungspro
zesse in der Entwicklung der französischen Literatur ein, die nicht zuletzt durch
die Selektion von Übersetzungen und die Art und Weise ihrer Übertragung
mitbestimmt war (Graeber 1990 : 12). Die Wandlung von einer »literarischen
Xenophobie« zu einer zunehmenden Öffnung für fremde AutorInnen steht da
bei im Zentrum seiner Ausführungen. Paratexte von Übersetzungen spanischer
Texte der Aufklärung, die von Frauen verfasst wurden, sind Gegenstand der
Diplomarbeit von Anna Bauer. Bauer liefert in ihrer Arbeit ein überzeugendes
Bild jener Frauen, die in Widmungen, Vorworten und Anmerkungen mehr oder
weniger selbstbewusst das Wort ergriffen, und stellt mit ihrer Untersuchung den
Anspruch, überkommene (partriarchale) Paradigmen und Beurteilungskriterien
für die Relevanz der Tätigkeit von Frauen neu zu überdenken (Bauer 2003).
Ebenfalls auf das 18. Jahrhundert, jedoch nicht auf literarische Texte bezieht
sich Sabine Schwarze in ihrer Untersuchung von Übersetzervorreden als Quel
lentexte der Übersetzungstheorie, womit sie an Kollers Begriff der »expliziten
Übersetzungstheorie« 263 anschließt (Schwarze 1999 : 127). Schwarze kommt in
ihrer Analyse von Vorreden italienischer ÜbersetzerInnen (aus klassischen und
zeitgenössischen Texten und aus dem 18. Jahrhundert) zu dem Schluss, dass
diese formal und auch in ihren Topoi zahlreiche Parallelen zu französischen
Vorreden aufweisen, jedoch auch nationalspezifische Eigenheiten erkennen las
sen, die auf Besonderheiten der zeitgenössischen Sprach und Literaturdiskus
sion zurückzuführen sind (vgl. dazu auch Schwarze 2004).
In zahlreichen weiteren Beispielen solcher Fallstudien werden Fragestellungen
aufgeworfen, die sich mit Vorreden in Übersetzungen von Sophokles’ Werken
ins Deutsche im 19. Jahrhundert befassen (Kitzbichler 2008) ; andere behandeln
263 Auch Werner Koller geht in seiner Einführung in die Übersetzungswissenschaft auf Paratexte ein,
ohne sie jedoch als solche zu benennen. Er diskutiert die Rolle von Vorworten und Nachworten,
die ÜbersetzerInnen als Erfahrungs , Rechenschafts und Rechtfertigungsberichte dienen
und aus denen sich die »expliziten Übersetzungstheorien« der ÜbersetzerInnen ableiten lassen
(Koller 2001 : 45).
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437