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376 Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen
einer bestimmten Logik unterworfen sein kann, sind doch Grenzregionen oft
zwei oder mehrsprachig und produzieren gerade durch diese Charakteristik der
Plurikulturalität VermittlerInnen. Solche Regionen werden auch innerhalb von
Städten reproduziert, ein Vorgang, der vor allem durch das Phänomen der Mig
ration gefördert wird (Pym 1998 : 105). Die Gültigkeit dieser Aussagen für den
Kommunikationsraum der Habsburgermonarchie ist evident, wo zum einen,
teilweise verstärkt durch Vermittlungsprozesse, an kulturellen Grenzen bzw. in
den Überschneidungsbereichen – wo die Pluralität besonders dicht erscheint –
die Verknotung vielfacher Transfers stattfindet (siehe Herrn Schneider, angesie
delt an der »Peripherie« der Monarchie bzw. die alltägliche Kommunikationsar
beit von DienstbotInnen, angesiedelt im »Zentrum«) und zum anderen sichtbar
wird, wie »grenzüberschreitend« zwischen verschiedenen Übersetzungsformen
gewandelt wird (siehe Antonio Martecchini, der von dem zunächst auf Mehr
sprachigkeit beruhenden Bereich der »institutionellen Übersetzung« – im vor
liegenden Modell innerhalb des Großkomplexes des »plurikulturellen Raumes«
gelagert – im Zuge der Entwicklung seiner beruflichen Laufbahn in den dichte
ren Raum des »polykulturellen Translationsraumes« übertritt).
Vor diesem Hintergrund sind die in den einzelnen Feldern aktiven Akteure
und Akteurinnen als »GrenzgängerInnen« zu sehen, die aufgrund der jeweils
unterschiedlichen von ihnen bedingten und sie wiederum bedingenden Ver
knüpfungen in den verschiedenen Kontaktzonen zwischen den kulturellen
Räumen zur Schaffung unterschiedlicher Kontextualisierungen beitragen ; als
TrägerInnen hybrider Identität produzieren sie gleichzeitig die konstruktive
Instabilität kulturellen Wandels. Das habsburgische, »kakanische« Subjekt ist
somit dem postkolonialen Subjekt nicht unähnlich.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Konstruktcharakter von
Übersetzung von einem Kulturkonzept ausgeht, das die aus kultureller Begeg
nung resultierenden vielschichtigen Prozesse von Bedeutungskonstituierungen
und Neukontextualisierungen berücksichtigt. Im habsburgischen Kontext be
deutet dies, dass Kultur von Mitgliedern einer Gemeinschaft geschaffen wurde,
die – aus jeweils unterschiedlichen Gründen – geografische, ethnische, sprachli
che, politische und auch nationale Grenzen überschreiten. Dadurch wurde Kul
tur zu einem immer wieder neu geflochtenen Netz, eine Übersetzungsarbeit von
Generationen zu Generationen, die, wie festgestellt werden konnte, durch die
»Mitsprache« der involvierten AkteurInnen verdichtet wurde. Diese AkteurIn
nen sind als KulturmittlerInnen an Schlüsselstellen bei der Konstruktion von
Kultur durch Übersetzung angesiedelt und sind als TrägerInnen von Bedeutun
gen hauptsächlicher Anstoß zu Veränderungen ihres Umfeldes. In dieser von
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Untertitel
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Autor
- Michaela Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 442
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437