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2. Terminologische Klärungen
40 ralisch-neutral. Mithin taugen die Wörter „deskriptiv“ und „normativ“ nicht für diese
Grundunterscheidung. Zweckmäßiger ist es , hier von einer Grundeinteilung in norma-
tive und neutrale Disziplinen auszugehen und die bisher genannten Teildisziplinen wie
folgt zuzuordnen :
Zu den Beiträgen der normativen Ethik zählen üblicherweise sowohl normativ allgemei-
ne Beiträge als auch normativ spezifische , d. h. solche , die sehr allgemeine Maßstäbe bie-
ten bzw. sehr spezifische.
Was in dieser Aufteilung noch nicht aufscheint , jedoch als Möglichkeit in meinen For-
mulierungen der übrigen Teildisziplinen bereits nahegelegt wird , sind philosophische neu-
trale Untersuchungen inhaltlich bestimmter Konzeptionen von Moral , wie sie auch die
normative Ethik formuliert , begründet , kritisiert oder für Stellungnahmen heranzieht.
Die normative Ethik ist nämlich nicht nur dadurch bestimmt , dass sie Vorgaben macht ,
sondern ebenso dadurch , dass sie Inhalte bzw. Verfahren vorgibt , wie inhaltliche Antwor-
ten gefunden werden können. Es handelt sich um eine in diesem Sinne inhaltliche Ethik.
Inhaltliche Ethik muss jedoch die normative Komponente nicht mit umfassen. Sie kann
ebenso in neutraler Weise betrieben werden. Es kann sich hierbei wiederum um inhalt-
lich allgemeinere oder spezifischere Moralen handeln. Zunächst kann dies philosophische
Fragen zu den Grundannahmen empirischer Moraltheorien meinen. Des Weiteren um-
fasst eine solche neutrale inhaltliche Ethik die Analyse , Konstruktion oder Rekonstruk-
tion allgemeiner oder spezifischer Moralen bzw. deren Sprache. Solche Untersuchungen
sind nicht der Metaethik zuzuordnen , insofern sich diese nicht mit einzelnen inhaltlich
bestimmten Moralen oder deren Sprache befasst , sondern mit Moral bzw. Moralsprache
überhaupt. Eben solches gilt für erkenntnistheoretische , ontologische oder geistesphilo-
sophische Untersuchungen. Insofern diese von den Inhalten bestimmter Moralkonzepti-
onen absehen , fallen sie in die Metaethik , insofern sie auf diese Inhalte eingehen , gehören
sie zu den Aufgaben der neutralen inhaltlichen Ethik. Eine solche Ethik fragt beispiels-
weise , was Ausdrücke einer bestimmten Moral bedeuten ( im Unterschied zur Metaethik ,
die nach der Bedeutung allgemeiner moralischer Ausdrücke fragt ), ob und inwiefern sich
diese bestimmte Moral begründen lasse , ob sie auf ein einziges Grundprinzip zurückzu-
führen seien , wie die Werte und Normen dieser bestimmten Moral logisch zusammenhin-
Ethik und Moral im Wiener Kreis
Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ethik und Moral im Wiener Kreis
- Subtitle
- Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
- Author
- Annemarie Siegetsleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79533-9
- Size
- 16.9 x 23.9 cm
- Pages
- 450
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- 1. Einleitung 13
- 2. Terminologische Klärungen 37
- 3. Moral und Ethik im Wiener Kreis und die Standardauffassung logisch- empiristischer Ethik 52
- 4. Das kulturelle Umfeld des politischen und moralischen Engagements 67
- 5. Rudolf Carnap : Individualistischer Dezisionismus und wissenschaftlicher Humanismus 89
- 5.1 Einleitung 89
- 5.2 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik vor der Wiener-Kreis-Periode 92
- 5.3 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik in der Wiener-Kreis-Periode 111
- 5.3.1 Der logische Aufbau der Welt ( 1928a ) und die Konstitution von Werten 111
- 5.3.2 Scheinprobleme in der Philosophie ( 1928b ) 120
- 5.3.3 „Wissenschaft und Leben“ ( 1929b ) 123
- 5.3.4 „Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“ ( 1931/32 ) 129
- 5.3.5 „Theoretische Fragen und praktische Entscheidungen“ ( 1934a ) 133
- 5.3.6 Philosophy and Logical Syntax ( 1935 ) 136
- 5. 3. 7 Carnaps moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 138
- 5.3.8 Carnaps individualistischer Dezisionismus und die Lebenspraxis 141
- 5.3.9 Möglichkeiten und Grenzen der Ethik 148
- 5.4 Spätphase : Optative 149
- 5.5 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 160
- 6. Karl Menger : Mathematische Modelle für ein verträgliches Zusammenleben 163
- 6.1 Einleitung 163
- 6.2 Mengers Logik der Sitten 168
- 6.3 Mengers Moralauffassung 177
- 6.3.1 Moral 1. und 2. Stufe , Basismoralen 177
- 6.3.2 Sinn und Zweck der / einer Moral 177
- 6.3.3 Kritik am Kategorischen Imperativ 179
- 6.3.4 Mengers Konzeption der Moralsprache : Semantischer Nonkognitivismus 180
- 6.3.5 Moralische Erkenntnis : Fundamentaler Nonkognitivismus und systemimmanenter Kognitivismus 182
- 6.4 Mengers Ethikverständnis 186
- 6.5 Menger und die Angewandte Ethik 193
- 6.6 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 194
- 7. Otto Neurath : Moral auf der Grundlage gemeinsam beschlossener humanistischer Lebensgrundsätze und Ethik in der Einheitswissenschaft 196
- 8. Philipp Frank : Pragmatische Ethik und relativierte Moral 251
- 9. Moritz Schlick : Eudämonistische Ethik als Weisheitslehre 265
- 10. Victor Kraft : Zwei-Komponenten-Kognitivismus und rationale Moralbegründung 332
- 10.1 Einleitung 332
- 10.2 Krafts moralische und ethische Auffassungen in der Wiener-Kreis-Periode 337
- 10.3 Krafts moralische und ethische Auffassungen nach der Wiener-Kreis-Periode 371
- 10.3.1 Moralbegründung auf Grundlage der Kultur : Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre , 2. Auflage ( 1951 ) 371
- 10.3.2 Moralbegründung auf Grundlage natürlicher Ziele : Rationale Moralbegründung ( 1963 ) 374
- 10.3.3 Moralbegründung auf der Grundlage primärer Strebensziele : Die Grundlagen der Erkenntnis und der Moral ( 1968 ) 377
- 10.4 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 383
- 11. Herbert Feigl : Pragmatische Moralbegründung 387
- 12. Systematische Zusammenfassung und allgemeine Schlussbemerkungen 402
- 12.1 Mangelndes Interesse an Moral als Menschen und Bürgerinnen oder Bürger 402
- 12.2 Geteilte moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 403
- 12.3 Differenzierungen in den Moralkonzeptionen 404
- 12.4 Differenzierungen in den Ethikkonzeptionen 409
- 12.5 Ausblick auf zukünftige Forschung 412
- 12.6 Allgemeine Schlussbemerkungen 413
- Literatur 417
- Abkürzungen 440
- Bildquellennachweis 440
- Personenregister 441