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11. Herbert Feigl : Pragmatische MoralbegrĂĽndung
390 Feigl schlägt im Sinne Krafts vor , typischen normativen Ausdrücken wie „gut“, „schlecht“
zusätzlich zu ihrer emotiven Komponente eine faktische Referenz zuzuweisen. Nur so
könne einem Formalismus in der Ethik entgangen werden und könnten die Ausdrücke
mit den Tatsachen des individuellen und gemeinschaftlichen Lebens verbunden werden.
( Feigl 1952 [ 1981 , 388 f. ])
If we wish to know for example whether killing in self-defense is morally right , we cannot
get an answer unless definite and empirically specified moral rules ( including priority rules
as between standards ) are provided as justificantia cognitionis of the correctness of the moral
judgment at issue. Obviously the same considerations apply to questions of distributive and
retributive justice , to the evaluation of the various virtues , of measures of social , legal , politi-
cal reform , etc. ( Feigl 1952 [ 1981 , 389 ])
Feigl kommt 1952 abschließend darauf zu sprechen , ob in der Ethik Objektivität möglich
sei. Dies hänge , wenig überraschend , von der Interpretation von „Objektivität“ ab. Feigl
fĂĽhrt nicht weniger als acht Interpretationen an :
( 1 ) The logical necessity inherent in validation. ( 2 ) The logical consistency of the norms of one
system. ( 3 ) The factual objectivity of the characterization of the empirical features of attitudes ,
conduct , etc. which are the subject of moral appraisal. ( 4 ) The factual objectivity of statements
regarding conditions-consequences and means-ends relations. ( 5 ) The factual objectivity of
statements concerning human needs , interests and ideals as they arise in the social context.
( 6 ) The conformity of the norms with the basic bio-psycho-social nature of man , especially as
regards the preservation of existence , the satisfaction of needs , and the facts of growth , devel-
opment and evolution. ( 7 ) The degree of universality with which certain norms are actually or
potentially embodied in the conscience of man within given cultural groups or perhaps even
in cultural groups of all times and climes. ( 8 ) The equality of all individual persons before the
moral lawsÂ
– as conceived in the universal applicability of these laws. ( Feigl 1952 [ 1981 , 390 f. ])
Kritisch seien lediglich die siebte und achte Interpretation. Tatsächlich gebe es keine Uni-
versalität im Sinne von Interpretation sieben. Feigl zeigt sich jedoch vorsichtig optimis-
tisch , dass gemeinsame Standards möglich seien. Ob die Unpar teilichkeit im Sinne von
Interpretation acht Teil der Definition von „moralische Norm“ sein soll , bleibe fraglich.
Falls wir uns dazu entscheiden , fragt sich jedoch zu Recht :
But must we then not conclude that the word “ethics” itself is subject to persuasive defini-
tion ? ( Feigl 1952 [ 1981 , 391 ])
Wiederum in einem konstruierten Dialog aus dem Jahre 1964 meldet sich gegen Ende ein
kritischer Emotivist zu Wort , der in diesem Dialog Feigls eigene Position vertritt :
Ethik und Moral im Wiener Kreis
Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Ethik und Moral im Wiener Kreis
- Subtitle
- Zur Geschichte eines engagierten Humanismus
- Author
- Annemarie Siegetsleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79533-9
- Size
- 16.9 x 23.9 cm
- Pages
- 450
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- 1. Einleitung 13
- 2. Terminologische Klärungen 37
- 3. Moral und Ethik im Wiener Kreis und die Standardauffassung logisch- empiristischer Ethik 52
- 4. Das kulturelle Umfeld des politischen und moralischen Engagements 67
- 5. Rudolf Carnap : Individualistischer Dezisionismus und wissenschaftlicher Humanismus 89
- 5.1 Einleitung 89
- 5.2 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik vor der Wiener-Kreis-Periode 92
- 5.3 Carnaps Konzeption von Moral und Ethik in der Wiener-Kreis-Periode 111
- 5.3.1 Der logische Aufbau der Welt ( 1928a ) und die Konstitution von Werten 111
- 5.3.2 Scheinprobleme in der Philosophie ( 1928b ) 120
- 5.3.3 „Wissenschaft und Leben“ ( 1929b ) 123
- 5.3.4 „Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“ ( 1931/32 ) 129
- 5.3.5 „Theoretische Fragen und praktische Entscheidungen“ ( 1934a ) 133
- 5.3.6 Philosophy and Logical Syntax ( 1935 ) 136
- 5. 3. 7 Carnaps moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 138
- 5.3.8 Carnaps individualistischer Dezisionismus und die Lebenspraxis 141
- 5.3.9 Möglichkeiten und Grenzen der Ethik 148
- 5.4 Spätphase : Optative 149
- 5.5 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 160
- 6. Karl Menger : Mathematische Modelle für ein verträgliches Zusammenleben 163
- 6.1 Einleitung 163
- 6.2 Mengers Logik der Sitten 168
- 6.3 Mengers Moralauffassung 177
- 6.3.1 Moral 1. und 2. Stufe , Basismoralen 177
- 6.3.2 Sinn und Zweck der / einer Moral 177
- 6.3.3 Kritik am Kategorischen Imperativ 179
- 6.3.4 Mengers Konzeption der Moralsprache : Semantischer Nonkognitivismus 180
- 6.3.5 Moralische Erkenntnis : Fundamentaler Nonkognitivismus und systemimmanenter Kognitivismus 182
- 6.4 Mengers Ethikverständnis 186
- 6.5 Menger und die Angewandte Ethik 193
- 6.6 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 194
- 7. Otto Neurath : Moral auf der Grundlage gemeinsam beschlossener humanistischer Lebensgrundsätze und Ethik in der Einheitswissenschaft 196
- 8. Philipp Frank : Pragmatische Ethik und relativierte Moral 251
- 9. Moritz Schlick : Eudämonistische Ethik als Weisheitslehre 265
- 10. Victor Kraft : Zwei-Komponenten-Kognitivismus und rationale MoralbegrĂĽndung 332
- 10.1 Einleitung 332
- 10.2 Krafts moralische und ethische Auffassungen in der Wiener-Kreis-Periode 337
- 10.3 Krafts moralische und ethische Auffassungen nach der Wiener-Kreis-Periode 371
- 10.3.1 MoralbegrĂĽndung auf Grundlage der Kultur : Die Grundlagen einer wissenschaftlichen Wertlehre , 2. Auflage ( 1951 ) 371
- 10.3.2 MoralbegrĂĽndung auf Grundlage natĂĽrlicher Ziele : Rationale MoralbegrĂĽndung ( 1963 ) 374
- 10.3.3 Moralbegründung auf der Grundlage primärer Strebensziele : Die Grundlagen der Erkenntnis und der Moral ( 1968 ) 377
- 10.4 Zusammenfassung und Schlussbemerkungen 383
- 11. Herbert Feigl : Pragmatische MoralbegrĂĽndung 387
- 12. Systematische Zusammenfassung und allgemeine Schlussbemerkungen 402
- 12.1 Mangelndes Interesse an Moral als Menschen und BĂĽrgerinnen oder BĂĽrger 402
- 12.2 Geteilte moralische Haltung : wissenschaftlicher Humanismus 403
- 12.3 Differenzierungen in den Moralkonzeptionen 404
- 12.4 Differenzierungen in den Ethikkonzeptionen 409
- 12.5 Ausblick auf zukĂĽnftige Forschung 412
- 12.6 Allgemeine Schlussbemerkungen 413
- Literatur 417
- AbkĂĽrzungen 440
- Bildquellennachweis 440
- Personenregister 441