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Vierte Perlode 1522 — 1740.
trug, und ganz besonders seine lockende Lehre «on dem gemeinschaftlichen
Besitze der irdischen Güter verführten das niedere Volk mächtig. Die Ar-
men arbeiteten nicht mchr, sondern forderten ihre Bedürfnisse von den
Reichen, und was ihnen abgeschlagen wurde, nahmen sie mit Gewalt.
Eine Menge Kirchen, Kloster und Schlösser wurden von Münzer und sei-
nem Anhange geplündert und verwüstet, und das böse Beispiel wirkte im-
mer verführerischer. In Thüringen, in vielen Gegenden Ober-Sachsens,
in Hessen und Braunschweig erhoben sich die Bauern, es nachzuahmen.
Der Landgraf Phi l ipp «on Hessen wurde zuerst des Aufstandes in sei-
nem Lande Meister, dann zog er den benachbarten Fürsten, den Herzogen
Georg von Sachsen und Heinrich von Braunschweig, und dem
Grafen von Mansfeld zum Beistände zu. Vereint brachen sie mit einer
ausgesuchten Mannschaft gegen Münz er auf. Sie trafen ihn bei Fran-
kenhausen, wo er sich mit etwa WNU Mann auf einer Anhöhe gelagert
hatte. Die vereinigten Fürsten boten den Weg der Güte a», aber Mün-
zer gab kein Gehör, sondern befeuerte den Muth der Seinigen durch die
wllthendstcn Reden. Um jcbe Hoffnung auf Gnade zu vernichten, beging
er so^ar die Nichtswürdigkeit, einen Abgesandten der Fürsten niederstoßen
zu lassen. Am 15. Mai 1525 kam es zur Schlacht, in welcher die Auf-
rührer nach einer hartnäckigen Gegenwehr gänzlich überwältiget wurden.
Münz er entkam nach Frankenhausen, verbarg sich daselbst auf dem Bo:
den eines Hauses, und stellte sich krank/ aber ein Soldat des siegenden
Heeres entdeckte ihn am folgenden Tage, und zog ihn aus dem Bette her-
vor. Nachdem Münz er auf der Folter die Genossen seiner Verbrechen ge'
nannt hatte, ward ihm und 25 anccrn Rebellen das Schwert zuerkannt.
Acht Jahre darauf (1523) erneuerten sichdiese fürchterlichen Austritte zu Mün-
ster durch den Bäcker Johann Matthiescn aus Harlcm und den
Schneider Johann Bockhold aus Lenden. Alle Frevel und Gräucl,
denen sich rohe Willkiihr im Trotze gegen die göttlichen und menschlichen Ge-
setze überläßt, wurden von diesen Betrügern und ihrem Anhange begangen.
Verstärkt durch unruhiges Gcsindel aus den benachbarten Orten, trieben sie
mehrere Tausende der unglücklichen Bewohner Münster's, welche die zweite
Taufe nicht angenommen hatten, im hilflosesten Zustande, viele nackt und
bloß, selbst Kranke, Greift und saugende Mütter, unter Wuthgeschrei mit
Prügeln aus der Stadt. Matthiesen lrat als Prophet auf, und über-
redete das Volk, das gesammte Vermögen zum gemeinen Gebrauche auszu-
liefern, und alle Bücher außer der Bibel zu verbrennen, verlor aber in ei«
nem Gefechte das Leben. Nun warf sich Bockhold zum Propheten auf.
Die Kirchen wurden zerstört, zwölf Richter, wie in Israel, über die Stämme
bestellt, und auch diese Regierüngsform bald wieder umgeworfen, indem
Bockhold sich unter dein Namen Johann von Leydcn zum Könige
des neuen Zions (so ninntcn die Münster'schcn Wiedertäufer ihr neues Reich)
erheben und förmlich krönen ließ. Die unglückliche Stadt wurde immer mehr
der Schauplatz aller Ausschweifungen wilder Schärmerei, niedriger Lüste
und unmenschlicher Grausamkeit. Die Einführung der Vielweiberei und das
Loslassen aller Zügel gesetzlicher Ordnung sollten dem bethölten Volke die
.Rohheit, Habsucht und Raserei seines Führers und die täglich wachsende Ge-
fahr vo» Außen verbergen. Bock hold lebte in Schwelgerei und in fürst-
licher Pracht, ließ Manifeste zur Empörung ausgehen, drohte mit seiner
Rltte alle Andersdenkenden zu vernichten, machte sich den Seinen durch häu-
fige Hinrichtungen furchtbar, und wußte, während Hunger und Seuchen in
der Stadt wütheten, den Taumel der unglücklichen Bewohner zu cinem hart-
näckigen Widerstände zu benutzen. Am 24- Juni 1535 wurde endlich
Münster nach einer langen Belagerung erstürmt. Die Häupter wurden hin-
gerichtet, und ihre Körper in eisernen Käsigen an dem höchsten Thurme der
Stadt zum Schrecken aller Rebellen aufgehängt.
Die Irrlehren, welche Luther über die christliche Freiheit verbreitete, fan-
den leider auch im südlichen Deutschland bei den Landleuten Eingang. Die
Geschichte des Österreichischen Kaiserstaates
- Titel
- Geschichte des Österreichischen Kaiserstaates
- Autor
- Leopold Haßler
- Verlag
- Ignaz Klang
- Ort
- Wien
- Datum
- 1842
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 12.31 x 20.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Babenberger, Habsburger, Monarchie
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort III
- Einleitung IX
- Vorgeschichte (Jahr X - 984 nach Chr.) 1
- Erste Periode (983-1246) 19
- Zweite Periode (1246-1283) 65
- Dritte Periode (1283-1522) 80
- Haus Habsburg 80
- Albrecht I. 81
- Friedrich der Schöne 89
- Albrecht II. und Otto der Fröhliche 99
- Herzogtum Kärnten 104
- Rudolph IV. 105
- Tirol 108
- Albrecht III. und Leopold III. 109
- Albrecht IV. 116
- Albrecht V. (Albrecht II.) 117
- Ladislaus Posthumus 123
- Wilhelm d. Freundliche/Leopold IV./Friedrich IV./Ernst der Eiserene 129
- Friedrich V. (Friedrich IV.)/Albrecht VI. 134
- Maximilian I. 153
- Karl V. und Ferdinand I. 168
- Literatur 169
- Anhang 172
- Vierte Periode (1522-1740) 221
- Fünfte Periode (1740-1838) 378
- Sach-/Namensregister 494