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war bereit, Spanien zu räumen, wo sein Enkel, Phil ipp von An-
jou, sich mit abwechselndem Glücke behauptet hatte. Aber kaum hatten
die Friedensunterhandlungen angefangen, so starb Kaiser Joseph I.
zu Wien an den Blattern im drei und dreißigsten Jahre seines Lebens
(13. April 1711).
Der Fürst von Auersperg, welcher Edelknabe des Kaisers bei dessen Tobe
war, erzählte, daß die Aerzte, nach der Gewohnheit jener Zeit, nicht nur
gar keine Luft in das Zimmer des Kranken ließen / sondern ihn auch noch,
als die Krankheit am heftigsten war, in mehrere Ellen Scharlach einwi-
ckelten.
Da Joseph!, bloß zwei Töchter, Maria Iosepha (1719 an
den Chmprinzen von Sachsen, Friedrich August, vermählt) und
Maria Amalia (1722 an den Churprinzen Carl Albrecht von
Baiern vermählt), hinterließ; so gab sein Tod der Europäischen Politik
eine völlig neue Richtung.
JosephI . war von mittelmäßiger Leibesgröße, start und schön gebaut. Er
hatte eine hohe Stirn, blonde Haare, stark hervorstehende blaue Augen,
hohe, etwas aufgeworfene Lippen, dann eine blühende, jugendliche Farbc.
Seine zarte Bildung verwandelte sich in seinen reiferen Jahren in die herr-
lichste Männergestalt, nachdem die vielen Jagden, bei welchen er Stunden
lang der drückendsten Sonnenhitze und jedem Wechsel der Witterung sich
aussetzte, sein Antlitz gebräunt und seinen Körper abgehärtet hatten. Hohe
Anmuth lag in seinen Zügen, etwas Durchdringendes und Imponirendes in
seinem raschen, feurige» Blicke.
Von einem sanquinischen Temperamente war er reitzbar und heftig, aber eben
so schnell wieder besänftigt. Wenn der Moment es erforderte, bewaffnete
er sich mit dem Ernste der Majestät; außerdem war er herablassend, mit-
theilend, der glänzendste Gesellschafter, und in den Audienzen von so großer
Geduld, baß er Jedem, dem er eine Bitte versagen mußte, die Gründe der
Verweigerung mit einer fast brüderlichen Theilnahme und Umständlichkeit
auseinandersetzte. Er entfernte das strenge Spanische Ceremonie!, ent-
ledigte sich der steifen Manteltracht, und war überhaupt ein Feind
alles Zwanges. Mit ungemeiner Güte behandelte er seine Dienerschaft,
und verabscheute jede Schmeichelei. Auf der Jagd ließ er oft mit Bauern
sich in Gespräche ein, und fand ein großes Vergnügen an ihrer unschuldigen
Offenherzigkeit.
Joseph war ftomm, andächtig, seiner Religion von Herzen zugethan, und
wußte Duldsamkeit mit dieser Treue zu verbinden. Er besaß eine ausgebrei-
tete Kenntniß der Geschichte, der Rechtsgelehrsamkeit, und da er seit dem
sechzehnten Jahre den Sitzungen des Staatsrathes ununterbrochen und mit
Aufmerksamkeit beigewohnt hattc, eine ungemcine Kenntniß der einzelnen
Erbstaaten, ihrer Verhältnisse und Interessen, und selbst der Personen, de-
nn man sich in den Geschäften am füglichsten bedienen könnte. Er redete
und schrieb rollkommen die Deutsche, Lateinische, Französische, Spanische,
Itslienische, Böhmische und Ungarische Sprache. Der Musik und überhaupt
den meisten Künste», die das gesellschaftliche Vergnügen erhöhen, so wieder
Baukunst, war er sehr ergeben, ohne jedoch seinen Herrschersorgcn einen Au-
genblick zu entziehen, der ihnen gebührt hätte.
Joseph's Gemahlin, Wilhelmine Amalie, war die Toch-
ter desHerzogs Johann Friedrich von Hannover, der auf einer
Reise durch Italien zum katholischen Glauben zurückgekehrt war. Sie
Geschichte des Österreichischen Kaiserstaates
- Titel
- Geschichte des Österreichischen Kaiserstaates
- Autor
- Leopold Haßler
- Verlag
- Ignaz Klang
- Ort
- Wien
- Datum
- 1842
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 12.31 x 20.0 cm
- Seiten
- 532
- Schlagwörter
- Babenberger, Habsburger, Monarchie
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort III
- Einleitung IX
- Vorgeschichte (Jahr X - 984 nach Chr.) 1
- Erste Periode (983-1246) 19
- Zweite Periode (1246-1283) 65
- Dritte Periode (1283-1522) 80
- Haus Habsburg 80
- Albrecht I. 81
- Friedrich der Schöne 89
- Albrecht II. und Otto der Fröhliche 99
- Herzogtum Kärnten 104
- Rudolph IV. 105
- Tirol 108
- Albrecht III. und Leopold III. 109
- Albrecht IV. 116
- Albrecht V. (Albrecht II.) 117
- Ladislaus Posthumus 123
- Wilhelm d. Freundliche/Leopold IV./Friedrich IV./Ernst der Eiserene 129
- Friedrich V. (Friedrich IV.)/Albrecht VI. 134
- Maximilian I. 153
- Karl V. und Ferdinand I. 168
- Literatur 169
- Anhang 172
- Vierte Periode (1522-1740) 221
- Fünfte Periode (1740-1838) 378
- Sach-/Namensregister 494