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168 Teil I: Grundlegung
Implikationen fĂŒr die Charaktermerkmale eines Menschen Musil in seinem
Aufsatz Psychotechnik und ihre Anwendungsmöglichkeit im Bundesheere bestimmt :
â[D]ie Eigenschaften eines Menschenâ können psychotechnisch âuntersucht
und beeinfluĂt werdenâ (BLM 183), sind also â Ă€hnlich wie bei Mach â kei-
neswegs essenziell und fixiert.11 Wie Musil weiter ausfĂŒhrt, geht es der Psy-
chotechnik unter anderem âum die Ermittlung der psychologisch gĂŒnstigs-
ten Form einer menschlichen Leistung und des dazu benĂŒtzten Werkzeugsâ
(BLM 183). Zu diesem rein funktionalen Zweck werden die DenkvorgÀnge
und HandlungsablĂ€ufe, die ihrerseits auf âEigenschaftenâ beruhen und aus de-
nen sich wiederum andere âEigenschaftenâ zusammensetzen, in ihre einzelnen
Bestandteile zerlegt ; gĂŒnstige und hemmende Elemente können solcherart
identifiziert, verglichen und gegebenenfalls verÀndert werden. Den Gedanken
einer auf dieser Basis prinzipiell möglichen Vergleichbarkeit unterschiedlichs-
ter Leistungen und LeistungstrÀger nimmt das 13. Kapitel des Romans auf
und entwickelt ihn weiter :
Sollte man einen groĂen Geist und einen Boxlandesmeister psychotechnisch analy-
sieren, so wĂŒrden in der Tat ihre Schlauheit, ihr Mut, ihre Genauigkeit und Kombina-
torik sowie die Geschwindigkeit der Reaktionen auf dem Gebiet, das ihnen wichtig
ist, wahrscheinlich die gleichen sein, ja sie wĂŒrden sich in den Tugenden und FĂ€-
higkeiten, die ihren besonderen Erfolg ausmachen, voraussichtlich auch von einem
berĂŒhmten HĂŒrdenpferd nicht unterscheiden, denn man darf nicht unterschĂ€tzen,
wieviele bedeutende Eigenschaften ins Spiel gesetzt werden, wenn man ĂŒber eine
Hecke springt. Nun haben aber noch dazu ein Pferd und ein Boxmeister vor einem
groĂen Geist voraus, daĂ sich ihre Leistung und Bedeutung einwandfrei messen lĂ€Ăt
und der Beste unter ihnen auch wirklich als der Beste erkannt wird, und auf diese
Weise sind der Sport und die Sachlichkeit verdientermaĂen an die Reihe gekommen,
die veralteten Begriffe von Genie und menschlicher GröĂe zu verdrĂ€ngen. (MoE 45)
beansprucht, âden Bodensatz des positiven Wissens in Erinnerung zu bringen, von dem in Mu-
sils vielbeschworener Formel die Rede istâ, legitimiert er allerdings allein sein eigenes Vorgehen,
âden Blick auf psychotechnische Erkenntnisse und Praktiken zu richten, die der Schriftsteller
sich in vielfacher Hinsicht bei der Arbeit zu eigen machtâ. Andere diskursive Kontexte bleiben
hingegen ausgeklammert.
11 Dazu pointiert Hoffmann, ebd., S. 234 : âDie Rede von Eigenschaften, die nach dem Menschen-
bild der AufklÀrung Subjekte als einmalige Individuation des Universellen ausmachen, verliert
unter diesem Blickwinkel jede Bedeutung. Psychotechnisch betrachtet, relativieren sich per-
sönliche Eigenschaften gegenĂŒber den Erfordernissen der jeweiligen Aufgabe : anders gesagt,
schlieĂen sich der neue Begriff der Eignung und der alte Begriff der Eigenschaft gegenseitig
aus.â
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Buch Kakanien als Gesellschaftskonstruktion - Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts"
Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Titel
- Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
- Untertitel
- Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Autor
- Norbert Christian Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78740-2
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 1224
- Schlagwörter
- Robert Musil, The Man without Qualities, modern novel, sociology of the novel, Pierre Bourdieu, cultural history
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 9
- Einleitung 11
- TEIL I : GRUNDLEGUNG
- TEIL II : ROMANTEXT ALS KRĂFTEFELD
- 1. âVersuchsstation des Weltuntergangsâ : Chronotopos und sozialer Raum 261
- 2. âZeitfigurenâ 1913/1930 âam gesellschaftlichen Schachbrettâ : Kapitalausstattung und Habitusbildung 328
- Erben und Enterbte 344
- Ulrich, Mann ohne Eigenschaften ) â Der Dilettant Walter 347
- Mann mit Eigenschaften 378
- Eigenschaftslosigkeit aus Marginalisierung : Ulrichs Alter Ego Moosbrugger 392
- Der moderne Industrielle : Ulrichs Gegenspieler Arnheim 409
- Adel und modernerKonservativismus : Ulrichs Inversion Leinsdorf 457
- Aufsteiger und Gebremste 482
- Realpolitik als âAntiessayismusâ : Der FunktionĂ€r Tuzzi (489) â Zur sozialen Erzeugung von Eigenschaften : Leo Fischel, Liberaler und âJudeâ 501
- Ein trojanisches Pferd des MilitÀrs : General Stumm von Bordwehr 523
- Terroristen und Propheten 548
- Forcierte âEigenschaftlichkeitâ : Der Antisemit Hans Sepp 558
- eingast, Faschist und Schwerenöter 584
- Der selbstbewusste Proletarier und junge Sozialist SchmeiĂer 601
- Friedel Feuermaul, Pazifist aus dem âGeiste des Expressionismusâ 613
- Gefallene Geliebte 643
- Zerrissener Zusammenhang, perspektivische Verschiebung : Ulrichs Geliebte Leona 649
- Petrifizierte âEigenschaftlichkeitâ, Macht des Faktischen : Ulrichs Geliebte Bonadea 659
- Leidende an einer geheimnisvollen Zeitkrankheit 672
- Wahnsinn als Methode : Clarisse 676
- Die frustrierte Ehefrau Klementine Fischel 694
- Ein gespaltener Habitus : Gerda Fischel 698
- Angepasste und Dissidentinnen 708
- Diotima, Frau mit Eigenschaften 712
- Agathe, Frau ohne Eigenschaften 737
- 3. âDie falschen zwischenmenschlichen Vereinigungen unserer Gesellschaftâ : Konstellationen und Interaktionen 768
- Ehen in der Krise 781
- Erosion der GeschlechteridentitĂ€ten : Die âTrĂ€ger des Zeit- wandelsâ Walter und Clarisse 788
- Von der physiologischen âZwangsherrschaftâ zur wissenschaftlichen EhefĂŒhrung : Diotima und Tuzzi 799
- Das schleichende Eindringen des Politischen ins Private : Leo und Klementine Fischel 809
- Unordentliche VerhÀltnisse, Geschlechterkampf 817
- Der Intellektuelle und die Kontrafaktur der âschönen Seeleâ : Ulrich und Bonadea 825
- Coitus interruptus als âLustselbstmordâ : Ulrich und Gerda 844
- Liebesversuche jenseits der Ehe 885
- Ulrichs frĂŒhes Einheitserlebnis 894
- Die verbindende Kraft des Antisemitismus : Gerda Fischel und Hans Sepp 902
- Liebe Ă la hausse, platonische âBegegnung zweier Berggipfelâ : Diotima und Arnheim 908
- Die âletzte Liebesgeschichteâ als Experiment der Androgynie : Ulrich und Agathe 928
- 3.2 Gleichgeschlechtliche Konstellationen : Moderne MĂ€nnerbeziehungen 998
- Konkurrenz um Prinzipien und Menschen 1000
- Reviermarkierungen im Kampf um eine Frau : Tuzzi gegen Arnheim, PreuĂen gegen Ăsterreich 1005
- Der Intellektuelle und der GroĂschriftsteller als Versucher : Ulrich gegen Arnheim 1014
- Ideologische Gegnerschaften, Klassenkampf 1059
- Entgegengesetzte âExponenten des Zeitgeistesâ : Hans Sepp und Feuer maul 1063
- BildungsbĂŒrger contra KleinbĂŒrger : Ulrich und Hans Sepp 1078
- BildungsbĂŒrger contra Proletarier : Ulrich und SchmeiĂer 1086
- TEIL III : ERZEUGUNGSFORMEL DES WERKS UND SELBSTOBJEKTIVIERUNG DES AUTORS
- Literaturverzeichnis 1169
- Musil-Texte 1169
- Andere Quellen 1169
- Nachschlagewerke 1176
- Allgemeine Forschungsliteratur 1176
- SekundÀrliteratur zu Musil 1193
- Register 1208