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251Grundbegriffe
des Romankonzepts
hat Michael Makropoulos in einer anregenden Untersuchung ĂŒber ModernitĂ€t
und Kontingenz rekonstruiert und ist dabei zu folgendem Ergebnis gekommen :
[B]emerkenswert und kennzeichnend gerade fĂŒr die Avantgarde dieser Epoche ist,
daĂ ihre Akteure keineswegs darauf abonniert waren, stets das Offene zu suchen. Die
Offenheit der Situation wurde vielmehr als Ăbergangszustand betrachtet, der been-
det werden muĂte und auch selbstmĂ€chtig beendet werden könnte, notfalls â und
es war in der Wahrnehmung der Zeitgenossen Ă€uĂerster Notfall â mit Gewalt. [âŠ]
Denn der âAusnahmezustandâ der absoluten Kontingenz â darin war man sich quer
durch die politischen Lager hindurch einig â muĂte beseitigt werden.228
Als Beispiele aus unterschiedlichen, ja kontrÀren politisch-ideologischen
Lagern nennt Makropoulos etwa den Juristen Carl Schmitt, der eine âkraft
souverĂ€ner existenzieller Entscheidung politisch herbeigefĂŒhrte Reontologi-
sierung des Wirklichen durch Beseitigung aller akzidenzieller, eben kontin-
genter Formenâ betrieben habe229, oder den Kulturphilosophen Walter Ben-
jamin, fĂŒr den es ebenso âganz auĂer Frageâ gestanden sei, dass die fĂŒr die
Moderne charakteristische existenzielle âKontingenz aufgehoben werden
mĂŒsseâ.230 Im flagranten Unterschied zu diesen und vielen anderen expres-
sionistisch oder allgemein existenzialistisch angehauchten Zeitgenossen von
rechts wie von links (Gottfried Benn, Siegfried Kracauer, Georg LukĂĄcs, Hugo
von Hofmannsthal u. a.) verstand Musil die moderne Wirklichkeit nicht bloĂ
als sinnentleerte Schwundstufe, der nur durch eine emphatisch betriebene
Kompensation ihrer Deontologisierung beizukommen wÀre.231 Er hegte we-
der eine âSehnsucht nach dem Absolutenâ, noch wurde er von einem âWillen
zu Totalisierungenâ geleitet.232 In dieser Hinsicht allenfalls mit dem Ă€hnlich
unzeitgemĂ€Ăen französischen Schriftsteller Paul ValĂ©ry233 oder mit dem un-
garisch-jĂŒdischen Kultursoziologen Karl Mannheim234 vergleichbar, aber of-
228 Makropoulos : ModernitÀt und Kontingenz, S. 113 f.
229 Ebd., S. 117.
230 Ebd., S. 120. âFraglich war fĂŒr ihn nur, ob sie aus sich selbst heraus aufgehoben werden könne.
Deshalb setzte er weder auf TotalitÀtskonstruktionen, noch auf Avantgardekonzepte, sondern
darauf, mithilfe der neuen Kunst, also des Films, aus den modernen Wirklichkeiten den Funken
spontaner ontologischer Evidenz zu schlagen.â
231 Vgl. ebd., S. 101â122 ; daneben Ostermann : Das wildgewordene Subjekt, S. 618.
232 Makropoulos : ModernitÀt und Kontingenz, S. 113 f.
233 Vgl. die Darstellung ebd., S. 123â128, die ValĂ©ry freilich in recht Musilâschem Licht erscheinen
lÀsst.
234 Vgl. NĂŒbel : Relationismus und Perspektivismus, bes. S. 147 f., die sich insbesondere auf Mann-
heims ausdrĂŒckliche PrĂ€ferenz der âForm des Essays an Stelle des systematischen Stils einer
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Buch Kakanien als Gesellschaftskonstruktion - Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts"
Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Titel
- Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
- Untertitel
- Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Autor
- Norbert Christian Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78740-2
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 1224
- Schlagwörter
- Robert Musil, The Man without Qualities, modern novel, sociology of the novel, Pierre Bourdieu, cultural history
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 9
- Einleitung 11
- TEIL I : GRUNDLEGUNG
- TEIL II : ROMANTEXT ALS KRĂFTEFELD
- 1. âVersuchsstation des Weltuntergangsâ : Chronotopos und sozialer Raum 261
- 2. âZeitfigurenâ 1913/1930 âam gesellschaftlichen Schachbrettâ : Kapitalausstattung und Habitusbildung 328
- Erben und Enterbte 344
- Ulrich, Mann ohne Eigenschaften ) â Der Dilettant Walter 347
- Mann mit Eigenschaften 378
- Eigenschaftslosigkeit aus Marginalisierung : Ulrichs Alter Ego Moosbrugger 392
- Der moderne Industrielle : Ulrichs Gegenspieler Arnheim 409
- Adel und modernerKonservativismus : Ulrichs Inversion Leinsdorf 457
- Aufsteiger und Gebremste 482
- Realpolitik als âAntiessayismusâ : Der FunktionĂ€r Tuzzi (489) â Zur sozialen Erzeugung von Eigenschaften : Leo Fischel, Liberaler und âJudeâ 501
- Ein trojanisches Pferd des MilitÀrs : General Stumm von Bordwehr 523
- Terroristen und Propheten 548
- Forcierte âEigenschaftlichkeitâ : Der Antisemit Hans Sepp 558
- eingast, Faschist und Schwerenöter 584
- Der selbstbewusste Proletarier und junge Sozialist SchmeiĂer 601
- Friedel Feuermaul, Pazifist aus dem âGeiste des Expressionismusâ 613
- Gefallene Geliebte 643
- Zerrissener Zusammenhang, perspektivische Verschiebung : Ulrichs Geliebte Leona 649
- Petrifizierte âEigenschaftlichkeitâ, Macht des Faktischen : Ulrichs Geliebte Bonadea 659
- Leidende an einer geheimnisvollen Zeitkrankheit 672
- Wahnsinn als Methode : Clarisse 676
- Die frustrierte Ehefrau Klementine Fischel 694
- Ein gespaltener Habitus : Gerda Fischel 698
- Angepasste und Dissidentinnen 708
- Diotima, Frau mit Eigenschaften 712
- Agathe, Frau ohne Eigenschaften 737
- 3. âDie falschen zwischenmenschlichen Vereinigungen unserer Gesellschaftâ : Konstellationen und Interaktionen 768
- Ehen in der Krise 781
- Erosion der GeschlechteridentitĂ€ten : Die âTrĂ€ger des Zeit- wandelsâ Walter und Clarisse 788
- Von der physiologischen âZwangsherrschaftâ zur wissenschaftlichen EhefĂŒhrung : Diotima und Tuzzi 799
- Das schleichende Eindringen des Politischen ins Private : Leo und Klementine Fischel 809
- Unordentliche VerhÀltnisse, Geschlechterkampf 817
- Der Intellektuelle und die Kontrafaktur der âschönen Seeleâ : Ulrich und Bonadea 825
- Coitus interruptus als âLustselbstmordâ : Ulrich und Gerda 844
- Liebesversuche jenseits der Ehe 885
- Ulrichs frĂŒhes Einheitserlebnis 894
- Die verbindende Kraft des Antisemitismus : Gerda Fischel und Hans Sepp 902
- Liebe Ă la hausse, platonische âBegegnung zweier Berggipfelâ : Diotima und Arnheim 908
- Die âletzte Liebesgeschichteâ als Experiment der Androgynie : Ulrich und Agathe 928
- 3.2 Gleichgeschlechtliche Konstellationen : Moderne MĂ€nnerbeziehungen 998
- Konkurrenz um Prinzipien und Menschen 1000
- Reviermarkierungen im Kampf um eine Frau : Tuzzi gegen Arnheim, PreuĂen gegen Ăsterreich 1005
- Der Intellektuelle und der GroĂschriftsteller als Versucher : Ulrich gegen Arnheim 1014
- Ideologische Gegnerschaften, Klassenkampf 1059
- Entgegengesetzte âExponenten des Zeitgeistesâ : Hans Sepp und Feuer maul 1063
- BildungsbĂŒrger contra KleinbĂŒrger : Ulrich und Hans Sepp 1078
- BildungsbĂŒrger contra Proletarier : Ulrich und SchmeiĂer 1086
- TEIL III : ERZEUGUNGSFORMEL DES WERKS UND SELBSTOBJEKTIVIERUNG DES AUTORS
- Literaturverzeichnis 1169
- Musil-Texte 1169
- Andere Quellen 1169
- Nachschlagewerke 1176
- Allgemeine Forschungsliteratur 1176
- SekundÀrliteratur zu Musil 1193
- Register 1208