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Kakanien als Gesellschaftskonstruktion - Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
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607„Zeitfiguren“ 1913/1930 „am gesellschaftlichen Schachbrett“ tion österreichischer Sozialdemokratie, die schon in Victor Adlers Ă€hnlichem Argument von 1892 bemerkbar war, keineswegs „nur ein mit Blut erkaufter Fortschritt“ dĂŒrfe „revolutionĂ€r genannt werden“.796 Der ideologiegewisse Vertreter der Linken erweist sich bei nĂ€herem Hinsehen aller revolutionĂ€ren Rhetorik zum Trotz als typischer Austromarxist der Zwischenkriegszeit797, steht also dem sozialdemokratischen Reformismus des frĂŒhen 20. Jahrhun- derts nĂ€her als dem revolutionĂ€ren Bolschewismus798 – und ist letztlich weit- aus weniger radikal, als er zu sein vorgibt. Dementsprechend nennt ihn Musils ErzĂ€hler ironisch einen „RevolutionĂ€r, der keine Revolution machen wollte“ (MoE 1455). Abgesehen von dieser hier als paradox gezeichneten Grundhaltung frönt Schmeißer dennoch in charakteristischer Weise einer an Marx geschulten innerweltlichen Erlösungshoffnung bzw. sogar einer veritablen Erlösungsge- wissheit, die aus einem strikt fortschrittsorientierten Denken in starren ge- schichtsphilosophischen GesetzmĂ€ĂŸigkeiten resultiert, keine Zweifel kennt und keinen Raum fĂŒr ‚abseitige‘ Blicke nach rechts oder links gewĂ€hrt : „Lassen Sie bloß erst einmal uns an die Macht kommen !“, ruft er in einer bezeichnenden Mischung aus Drohung und Verheißung aus, wenn er „milde gestimmt“ ist (MoE 1456). DemgegenĂŒber hasst er „nichts so sehr wie die vernunftwidrige Form der GĂŒte, die an der LiebenswĂŒrdigkeit ist ; ja die Form ĂŒberhaupt, selbst die der Schönheit, war ihm verdĂ€chtig“ (MoE 1456). Schmeißer, der sich der ‚wissenschaftlichen‘ VernĂŒnftigkeit im Sinne der Marxismus verschrieben hat799, verdrĂ€ngt sein offenbar durchaus existentes 796 Vgl. Fuchs : Geistige Strömungen in Österreich, S. 87 f., 95 f., 102 u. 287 f., Anm. 4–6 (Zit. Anm. 5). 797 Vgl. ebd., S. 112–127, wo aus marxistischer Perspektive folgendes Gesamturteil gefĂ€llt wird : „In der Entwicklung einiger namhafter Austro-Marxisten sind deutlich zwei Perioden zu un- terscheiden : die erste ist erfĂŒllt von intensiver wissenschaftlicher BemĂŒhung, aus der wertvolle Bereicherungen der sozialistischen Literatur entspringen ; die zweite ist eine Periode der Ver- flachung, des Übergangs von der revolutionĂ€ren auf eine offen oder versteckt reformistische Position.“ Was dem Austromarxismus seine internationale SingularitĂ€t verlieh, war der Versuch, einen gleichwohl marxistisch begrĂŒndeten Mittelweg zwischen den russischen Bolschewiki und den reformistischen Sozialdemokraten zu gehen, mit dem Endziel einer Wiedervereini- gung der Arbeiterparteien in einer gemeinsamen Internationale. Aus orthodox-marxistischer Sicht kam das einem politischen „Opportunismus“ gleich ; vgl. ebd., S. 98 u. 291, Anm. 21. 798 Wie Hanisch : Der lange Schatten des Staates, S. 292, bemerkt, fußt das 1926 veröffentlichte Linzer Programm der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) Österreichs „auf einem demokratisch gezĂ€hmten Marxismus, schloß aber im Verteidigungsfall die Diktatur des Prole- tariats nicht aus.“ 799 Dabei ist hinsichtlich der Figurenkonstruktion zu berĂŒcksichtigen, dass „ein naturwissenschaft- licher Beruf und politische Orthodoxie sich fĂŒr Musil ausschlossen“, wie Corino : Musil [1988],
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Kakanien als Gesellschaftskonstruktion Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
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Titel
Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
Untertitel
Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
Autor
Norbert Christian Wolf
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2011
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78740-2
Abmessungen
15.5 x 23.0 cm
Seiten
1224
Schlagwörter
Robert Musil, The Man without Qualities, modern novel, sociology of the novel, Pierre Bourdieu, cultural history
Kategorie
Geisteswissenschaften

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorbemerkung 9
  2. Einleitung 11
    1. 1. Vom Scheitern eines Großkritikers : Aporien der Literaturkritik 11
    2. 2. Die MĂŒhen der Literaturwissenschaft : Aporien der Forschung 20
  3. TEIL I : GRUNDLEGUNG
    1. 1. Grundlagen der Untersuchung 43
      1. 1.1 Vorstellung der Methode : Bourdieus Sozioanalyse literarischer Texte 43
      2. 1.2 Methodologische EinwÀnde : Kritik der Sozioanalyse 58
    2. 2. Grundlagen der Poetik Musils 64
      1. 2.1 Der Mensch ohne Eigenschaften : ‚Gestaltlosigkeit‘ als ‚negative‘ Anthropologie 64
      2. 2.2 ‚Gestaltlosigkeit‘ und Romantext als Gesellschaftskonstruktion 80
    3. Gesellschaft im Roman 82
    4. Roman als Konstruktion 101
    5. Da capo : Angemessenheit und Vorgehensweise der Sozioanalyse 124
      1. 2.3 Medienkonkurrenz : Essayistisches vs. filmisches ErzÀhlen (Musil kontra Balåzs) 129
    6. 3. Grundbegriffe des Romankonzepts 165
      1. 3.1 Eigenschaftslosigkeit 165
      2. 3.2 Möglichkeitssinn und Essayismus 199
  4. TEIL II : ROMANTEXT ALS KRÄFTEFELD
    1. 1. „Versuchsstation des Weltuntergangs“ : Chronotopos und sozialer Raum 261
      1. 1.1 SelbstreferenzialitĂ€t und Außenreferenz : Das Eingangskapitel 261
      2. 1.2 Ein Land ohne Eigenschaften – Kakanien als Modell 282
      3. 1.3 Das Feld der Macht im Mann ohne Eigenschaften 300
    2. 2. „Zeitfiguren“ 1913/1930 „am gesellschaftlichen Schachbrett“ : Kapitalausstattung und Habitusbildung 328
      1. 2.1 MĂ€nner 334
    3. Erben und Enterbte 344
    4. Ulrich, Mann ohne Eigenschaften ) – Der Dilettant Walter 347
    5. Mann mit Eigenschaften 378
    6. Eigenschaftslosigkeit aus Marginalisierung : Ulrichs Alter Ego Moosbrugger 392
    7. Der moderne Industrielle : Ulrichs Gegenspieler Arnheim 409
    8. Adel und modernerKonservativismus : Ulrichs Inversion Leinsdorf 457
    9. Aufsteiger und Gebremste 482
    10. Realpolitik als ‚Antiessayismus‘ : Der FunktionĂ€r Tuzzi (489) – Zur sozialen Erzeugung von Eigenschaften : Leo Fischel, Liberaler und ‚Jude‘ 501
    11. Ein trojanisches Pferd des MilitÀrs : General Stumm von Bordwehr 523
    12. Terroristen und Propheten 548
    13. Forcierte ‚Eigenschaftlichkeit‘ : Der Antisemit Hans Sepp 558
    14. eingast, Faschist und Schwerenöter 584
    15. Der selbstbewusste Proletarier und junge Sozialist Schmeißer 601
    16. Friedel Feuermaul, Pazifist aus dem „Geiste des Expressionismus“ 613
      1. 2.2 Frauen 635
    17. Gefallene Geliebte 643
    18. Zerrissener Zusammenhang, perspektivische Verschiebung : Ulrichs Geliebte Leona 649
    19. Petrifizierte ‚Eigenschaftlichkeit‘, Macht des Faktischen : Ulrichs Geliebte Bonadea 659
    20. Leidende an einer geheimnisvollen Zeitkrankheit 672
    21. Wahnsinn als Methode : Clarisse 676
    22. Die frustrierte Ehefrau Klementine Fischel 694
    23. Ein gespaltener Habitus : Gerda Fischel 698
    24. Angepasste und Dissidentinnen 708
    25. Diotima, Frau mit Eigenschaften 712
    26. Agathe, Frau ohne Eigenschaften 737
    27. 3. „Die falschen zwischenmenschlichen Vereinigungen unserer Gesellschaft“ : Konstellationen und Interaktionen 768
      1. 3.1 Gemischtgeschlechtliche Konstellationen : MĂ€nner und Frauen im 20. Jahrhundert 771
    28. Ehen in der Krise 781
    29. Erosion der GeschlechteridentitĂ€ten : Die „TrĂ€ger des Zeit- wandels“ Walter und Clarisse 788
    30. Von der physiologischen „Zwangsherrschaft“ zur wissenschaftlichen EhefĂŒhrung : Diotima und Tuzzi 799
    31. Das schleichende Eindringen des Politischen ins Private : Leo und Klementine Fischel 809
    32. Unordentliche VerhÀltnisse, Geschlechterkampf 817
    33. Der Intellektuelle und die Kontrafaktur der ‚schönen Seele‘ : Ulrich und Bonadea 825
    34. Coitus interruptus als „Lustselbstmord“ : Ulrich und Gerda 844
    35. Liebesversuche jenseits der Ehe 885
    36. Ulrichs frĂŒhes Einheitserlebnis 894
    37. Die verbindende Kraft des Antisemitismus : Gerda Fischel und Hans Sepp 902
    38. Liebe à la hausse, platonische „Begegnung zweier Berggipfel“ : Diotima und Arnheim 908
    39. Die „letzte Liebesgeschichte“ als Experiment der Androgynie : Ulrich und Agathe 928
    40. 3.2 Gleichgeschlechtliche Konstellationen : Moderne MĂ€nnerbeziehungen 998
    41. Konkurrenz um Prinzipien und Menschen 1000
    42. Reviermarkierungen im Kampf um eine Frau : Tuzzi gegen Arnheim, Preußen gegen Österreich 1005
    43. Der Intellektuelle und der Großschriftsteller als Versucher : Ulrich gegen Arnheim 1014
    44. Ideologische Gegnerschaften, Klassenkampf 1059
    45. Entgegengesetzte „Exponenten des Zeitgeistes“ : Hans Sepp und Feuer maul 1063
    46. BildungsbĂŒrger contra KleinbĂŒrger : Ulrich und Hans Sepp 1078
  5. BildungsbĂŒrger contra Proletarier : Ulrich und Schmeißer 1086
  6. TEIL III : ERZEUGUNGSFORMEL DES WERKS UND SELBSTOBJEKTIVIERUNG DES AUTORS
    1. 1. Der Mann ohne Eigenschaften im zeitgenössischen literarischen Feld 1099
      1. 1.1 ‚Negative‘ Anthropologie als literaturpolitischer Einsatz 1101
      2. 1.2 Poetik des Essayismus – Musils vielfacher Bruch 1130
    2. 2. Autor und Romanheld in der Moderne – Musils indirekte Selbstanalyse 1152
  7. Literaturverzeichnis 1169
  8. Musil-Texte 1169
  9. Andere Quellen 1169
  10. Nachschlagewerke 1176
  11. Allgemeine Forschungsliteratur 1176
  12. SekundÀrliteratur zu Musil 1193
  13. Register 1208
    1. 1. Personen 1208
    2. 2. Literarische Figuren 1214
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