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âDie falschen zwischenmenschlichen Vereinigungen unserer Gesellschaftâ 841
mich zu schĂŒtzen !â / âDas heiĂt doch, daĂ er sie verhaftet ? !â / âDas weiĂ ich nicht,
was er dann mit ihnen tut. Ăbrigens ist Moosbrugger kein Strolch.â / âAlso dann
nimm an, er arbeite als Tischler in deiner Wohnung. Du bist mit ihm allein im Haus,
und er fĂ€ngt an, so hin und her rutschende Augen zu machen.â / Bonadea verwahrte
sich. âDas ist doch abscheulich, was du von mir verlangst !â / âSicherâ sagte Ulrich.
âAber ich will dir ja zeigen, daĂ solche leicht aus dem Gleichgewicht geratende Men-
schen Ă€uĂerst unangenehm sind. Unparteilichkeit darf man sich ihnen gegenĂŒber ei-
gentlich nur erlauben, wenn die SchlÀge ein anderer kriegt. Dann allerdings fordern
sie unsere Ă€uĂerste Zartheit heraus und sind die Opfer einer Gesellschaftsordnung
oder des Schicksals. Du muĂt zugeben, daĂ niemand fĂŒr seine Fehler kann, wenn
man sie mit seinen eigenen Augen betrachtet ; sie sind fĂŒr ihn im schlimmsten Fall Irr-
tĂŒmer oder schlechte Eigenschaften an einem Ganzen, das ihrethalben nicht weniger
gut wird, und natĂŒrlich hat er vollkommen recht !â / Bonadea hatte etwas an ihrem
Strumpf zu richten und fĂŒhlte sich gezwungen, Ulrich mit etwas zurĂŒckgeneigtem
Kopf dabei anzusehen, so daĂ sich am Knie, unbeaufsichtigt von ihrem Auge, ein ge-
gensatzreiches Leben von spitzen SĂ€umen, glattem Strumpf, gespannten Fingern und
sanft entspanntem Perlenschmelz der Haut entwickelte. (MoE 262)
WĂ€hrend Ulrich sich leidlich bemĂŒht, in einer Kette von âFolgerung[en]â zur
âErkenntnisâ bzw. wenigstens zum âAusgangspunkt einer sozialen Moralâ
vorzudringen, versucht Bonadea, seine Aufmerksamkeit in eine ganz andere
Richtung zu lenken :
Bonadea streifte mit einem Seufzer ihren Rock wieder an die rechte Stelle zurĂŒck,
richtete sich auf und suchte sich mit einem Schluck [âŠ] zu beruhigen. / âUnd nun
will ich dir erklĂ€ren,â setzte Ulrich lĂ€chelnd hinzu âwarum man fĂŒr Moosbrugger wohl
allerhand fĂŒhlen, aber trotzdem nichts tun kann. Im Grunde gleichen alle diese FĂ€lle
einem herausstehenden Fadenende, und wenn man daran zieht, beginnt sich das
ganze Gesellschaftsgewebe aufzutrennen. Ich werde dir das zunÀchst an rein verstan-
desmĂ€Ăigen Fragen zeigen.â / Bonadea verlor auf unaufgeklĂ€rte Weise einen Schuh.
Ulrich bĂŒckte sich danach, und der FuĂ kam mit den warmen Zehen dem Schuh in
seiner Hand entgegen wie ein kleines Kind. âLaĂ nur, laĂ, ich mache es selbst !â sagte
Bonadea, wĂ€hrend sie ihm den FuĂ hinhielt. / âDa sind zuerst die psychiatrisch-juri-
dischen Fragenâ erklĂ€rte Ulrich unerbittlich weiter, wĂ€hrend ihm aus dem Bein der
Hauch der verminderten ZurechnungsfĂ€higkeit in die Nase stieg. âDiese Fragen, von
denen wir wissen, daĂ die Ărzte beinahe jetzt schon so weit sind, daĂ sie die meisten
solcher Verbrechen verhindern könnten, wenn wir nur die dazu nötigen Geldmit-
tel aufwenden wollten. Das ist also nur noch eine soziale Frage.â / âAch, weiĂt du,
die laĂ !â bat Bonadea, als er nun schon zum zweitenmal sozial sagte. âWenn davon
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Buch Kakanien als Gesellschaftskonstruktion - Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts"
Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Titel
- Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
- Untertitel
- Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Autor
- Norbert Christian Wolf
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78740-2
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 1224
- Schlagwörter
- Robert Musil, The Man without Qualities, modern novel, sociology of the novel, Pierre Bourdieu, cultural history
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 9
- Einleitung 11
- TEIL I : GRUNDLEGUNG
- TEIL II : ROMANTEXT ALS KRĂFTEFELD
- 1. âVersuchsstation des Weltuntergangsâ : Chronotopos und sozialer Raum 261
- 2. âZeitfigurenâ 1913/1930 âam gesellschaftlichen Schachbrettâ : Kapitalausstattung und Habitusbildung 328
- Erben und Enterbte 344
- Ulrich, Mann ohne Eigenschaften ) â Der Dilettant Walter 347
- Mann mit Eigenschaften 378
- Eigenschaftslosigkeit aus Marginalisierung : Ulrichs Alter Ego Moosbrugger 392
- Der moderne Industrielle : Ulrichs Gegenspieler Arnheim 409
- Adel und modernerKonservativismus : Ulrichs Inversion Leinsdorf 457
- Aufsteiger und Gebremste 482
- Realpolitik als âAntiessayismusâ : Der FunktionĂ€r Tuzzi (489) â Zur sozialen Erzeugung von Eigenschaften : Leo Fischel, Liberaler und âJudeâ 501
- Ein trojanisches Pferd des MilitÀrs : General Stumm von Bordwehr 523
- Terroristen und Propheten 548
- Forcierte âEigenschaftlichkeitâ : Der Antisemit Hans Sepp 558
- eingast, Faschist und Schwerenöter 584
- Der selbstbewusste Proletarier und junge Sozialist SchmeiĂer 601
- Friedel Feuermaul, Pazifist aus dem âGeiste des Expressionismusâ 613
- Gefallene Geliebte 643
- Zerrissener Zusammenhang, perspektivische Verschiebung : Ulrichs Geliebte Leona 649
- Petrifizierte âEigenschaftlichkeitâ, Macht des Faktischen : Ulrichs Geliebte Bonadea 659
- Leidende an einer geheimnisvollen Zeitkrankheit 672
- Wahnsinn als Methode : Clarisse 676
- Die frustrierte Ehefrau Klementine Fischel 694
- Ein gespaltener Habitus : Gerda Fischel 698
- Angepasste und Dissidentinnen 708
- Diotima, Frau mit Eigenschaften 712
- Agathe, Frau ohne Eigenschaften 737
- 3. âDie falschen zwischenmenschlichen Vereinigungen unserer Gesellschaftâ : Konstellationen und Interaktionen 768
- Ehen in der Krise 781
- Erosion der GeschlechteridentitĂ€ten : Die âTrĂ€ger des Zeit- wandelsâ Walter und Clarisse 788
- Von der physiologischen âZwangsherrschaftâ zur wissenschaftlichen EhefĂŒhrung : Diotima und Tuzzi 799
- Das schleichende Eindringen des Politischen ins Private : Leo und Klementine Fischel 809
- Unordentliche VerhÀltnisse, Geschlechterkampf 817
- Der Intellektuelle und die Kontrafaktur der âschönen Seeleâ : Ulrich und Bonadea 825
- Coitus interruptus als âLustselbstmordâ : Ulrich und Gerda 844
- Liebesversuche jenseits der Ehe 885
- Ulrichs frĂŒhes Einheitserlebnis 894
- Die verbindende Kraft des Antisemitismus : Gerda Fischel und Hans Sepp 902
- Liebe Ă la hausse, platonische âBegegnung zweier Berggipfelâ : Diotima und Arnheim 908
- Die âletzte Liebesgeschichteâ als Experiment der Androgynie : Ulrich und Agathe 928
- 3.2 Gleichgeschlechtliche Konstellationen : Moderne MĂ€nnerbeziehungen 998
- Konkurrenz um Prinzipien und Menschen 1000
- Reviermarkierungen im Kampf um eine Frau : Tuzzi gegen Arnheim, PreuĂen gegen Ăsterreich 1005
- Der Intellektuelle und der GroĂschriftsteller als Versucher : Ulrich gegen Arnheim 1014
- Ideologische Gegnerschaften, Klassenkampf 1059
- Entgegengesetzte âExponenten des Zeitgeistesâ : Hans Sepp und Feuer maul 1063
- BildungsbĂŒrger contra KleinbĂŒrger : Ulrich und Hans Sepp 1078
- BildungsbĂŒrger contra Proletarier : Ulrich und SchmeiĂer 1086
- TEIL III : ERZEUGUNGSFORMEL DES WERKS UND SELBSTOBJEKTIVIERUNG DES AUTORS
- Literaturverzeichnis 1169
- Musil-Texte 1169
- Andere Quellen 1169
- Nachschlagewerke 1176
- Allgemeine Forschungsliteratur 1176
- SekundÀrliteratur zu Musil 1193
- Register 1208